Preußische Kriege
1870/71

 
 

 

 

Der Deutsch - Französische Krieg
von 1870/71

  Fortsetzung

 
 
Der Weg nach Sedan

Während der Ereignisse bei Metz hatte die 3. Armee ihren Vormarsch langsam fortgesetzt, die kleinen Vogesenfestungen umgangen, um sie anschließend entweder durch Handstreich oder nach kurzer Beschießung zu nehmen bzw. einzuschließen. Am 8. 8. wurde vergeblich Bitsch beschossen. Am 9. 8. wurde Lützelstein von den Franzosen geräumt. Am selben Tag ergab sich Lichtenberg. Pfalzburg wurde vom XI. Armeekorps eingeschlossen. Marsal ergab sich am 14. 8. Am 15. 8 erreichte die 3. Armee mit den Voraustruppen Nancy und die obere Mosel. Sie rückte ohne größere Kämpfe weiter nach Châlons vor. Bis zum 18. 8. drang sie bis nördlich von Toul vor, und am 20.8. wurde Commercy genommen.

Für die deutsche Kriegführung begann ein neuer Operationsabschnitt. Die französische Rheinarmee war in Metz matt gesetzt, nur bei Châlons und bei Paris standen weitere gegnerischen Truppen. Moltke setzte im deutschen Hauptquartier durch, daß als nächstes Ziel die Zerschlagung der Armee Mac Mahons, der letzten im Felde stehenden französischen Armee, ins Auge gefaßt wurde. Erst dann sollten sich die deutschen Armeen nach Paris wenden. Die deutsche Führung vermutete die Armee Mac Mahons bei Châlons. Sie entschied sich, die 3. Armee und die Maasarmee in westlicher Richtung so anzusetzen, daß die 3. Armee den Gegner bei Châlons auch in seiner rechten Flanke angreifen und nordwärts von Paris abdrängen konnte.

Diese Operationen konnten nicht sofort begonnen werden, da sich die Maasarmee erst formieren und dann zur 3. Armee aufschließen mußte. Erst am 23. 8. brachen beide Armeen gemeinsam auf. Die Maasarmee erreichte die Maas zwischen Verdun und Commercy, die 3. Armee war mit ihren Hauptkräften etwa einen Tagesmarsch voraus. Das entsprach voll und ganz den Absichten des deutschen Hauptquartiers. Die Festungen Toul (vergeblicher Sturmversuch am 16. 8.) und Verdun wurden von deutschen Truppen nur beobachtet. Der Chef des preußischen Generalstabes holte zu dem nach seiner Meinung entscheidenden Schlag gegen die französische Armee aus, der den Krieg beenden sollte. Tatsächlich sammelte sich seit Anfang August eine französische Armee unter Mac Mahon bei Châlons.

Das 1. Korps war noch durch die Kämpfe bei Weißenburg und Wörth schwer erschüttert, und auch das 5. und 7. waren teilweise in die Niederlage verwickelt gewesen. Nur das neugebildete 12. Korps war davon nicht betroffen. Zu ihm gehörten auch vier Marineregimenter, eine Elitetruppe, die ursprünglich für Landungen in Deutschland vorgesehen war.

Die französische Armee bei Châlons

Korps Stärke (Mann) Geschütze Mitrailleusen
1.Korps  44000  96  24
5. Korps 25000 72 18
7. Korps 28000 72 18
12.Korps 32000 150 18
Kav.Res.  5000  12  6
Insgesamt 134000 402  84

Nach dem Eintreffen Napoleons III. in Châlons am 17. 8. hatte ein Kriegsrat Mac Mahon den Oberbefehl über die Armee von Châlons übertragen.Am 23. 8. setzte sich die Armee Mac Mahons von Reims aus in Marsch, um über Montmédy längs der belgischen Grenze auf die Armee Bazaine zu stoßen.

Am 23. 8. hatten die deutsche 3. Armee und die Maasarmee ihre gemeinsame Bewegung begonnen. Ihre Gesamtstärke betrug 184 000 Mann und 800 Geschütze. Bis zum 25. 8. setzten sie ihren konzentrischen Vormarsch auf Châlons fort.  Die Kavallerie traf bereits am 26. 8. bei Grand-Pré auf Teile der französischen Armee. Nunmehr wurde die Maasarmee mit den beiden bayrischen Armeekorps mehr in nordöstlicher Richtung angesetzt. Zur Unterstützung wurden zwei Armeekorps der Einschließungsarmee von Metz heranbefohlen, die Mac Mahon den Weg verlegen sollten. Gleichzeitig änderte die 3. Armee ihre Marschrichtung auf Ste. Menehould und leitete damit ebenfalls den Rechtsabmarsch ein.

Inzwischen war die deutsche Maasarmee bereits bis an die Maas herangekommen und beherrschte diese bis Stenay, den französischen Truppen so den Weg nach Metz verlegend. Daraufhin versuchte Mac Mahon, sein Ziel weiter ausholend über Carignan zu erreichen. Die mehrfachen Befehlsänderungen, die für die Soldaten sinn- und ziellosen Märsche wirkten immer demoralisierender auf die französischen Truppen. Auch die Versorgung der Armee hatte sich kaum gebessert Der Zusammenhalt der Verbände wurde immer schwächer.

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Marsch auf Sedan

Die Maasarmee ging nun in Richtung auf Buzancy und Beaumont vor, während zu ihrer Linken die 3. Armee in Eilmärschen auf Grand-Pré und Vouziers vordrang. Die Hauptmasse der Kavallerie wurde auf dem linken Flügel der Armeen zusammengezogen. Sie sollte die Verbindungen des Gegners unterbrechen und einem etwaigen Rückzug nach Westen entgegentreten.Am 30. 8. standen schon starke deutsche Kräfte an der Maas, bei Nouart das XII. Armeekorps, bei Buzancy die Garden und das IV. und II. Armeekorps.

 Am Mittag des 30. 8. wurde das französische 5. Korps, das völlig erschöpft bei Beaumont rastete, überraschend vom preußischen VI. Armeekorps angegriffen. Die Franzosen faßten sich schnell und führten einen Gegenangriff, der aber zurückgeworfen wurde. Der Einsatz der gesamten Artillerie des IV. Armeekorps, der noch die Artillerie des XII. und des bayrischen Armeekorps zu Hilfe kamen, zwangen die Franzosen zum Rückzug auf Mouzon. Die Bayern waren indessen durch Teile des französischen 7. Korps angegriffen worden. Sie warfen den Gegner ebenfalls nach Norden zurück. Das Gardekorps drang nach Beaumont vor, heftige Kämpfe entwickelten sich, in deren Verlauf die französischen Kräfte in das Maas-Tal zurückgeworfen wurden. Der Einbruch der Dunkelheit beendete diese Kämpfe südlich der Maas.

Unter dem Eindruck der Niederlage des 5. Korps, in die auch große Teile des 7. und 12. Korps verwickelt worden waren, entschloß sich Mac Mahon noch am Abend des 30. 8. zum allgemeinen Rückzug auf Sedan und zur vorläufigen Aufgabe des weiteren Marsches in Richtung auf Metz. Seine Absicht bestand darin, die Truppen in und bei Sedan zu sammeln und mit Lebensmitteln und Munition zu versorgen. Mac Mahon begab sich in diese äußerst gefährliche Lage, eingekeilt zwischen der belgischen Grenze und einem überlegenen und zum Kampf entschlossenen Gegner, weil er den Abmarsch nach Mézières fortsetzen wollte, sobald ihm weitere Nachrichten aus Metz und vom Gegner vorlagen.

Die Armee von Châlons langte völlig ermüdet, erschöpft und demoralisiert in Sedan an. Sie hatte das Vertrauen zur Führung und in die eigenen Kräfte verloren. Seit dem Abend des 30. 8. befand sich auch Napoleon III. mit dem Stab der Armee in Sedan. Am 31. 8. verblieben die französischen Truppen in folgenden Räumen: 7. Korps nordwestlich von Sedan bei Floing, 12. Korps südlich der Stadt bei Bazeilles, 5. Korps bei der östlichen Vorstadt der Festung, 1. Korps hinter dem Givonne-Bach.

Bis zum Abend des 31. 8. waren die deutschen Armeen dicht an die in und um Sedan zusammengedrängten französischen Truppen herangekommen und hatten ihre operative Vereinigung vollzogen. Die Maasarmee hatte auf beiden Chiers-Ufern eine Stellung von Mouzon bis zur belgischen Grenze erreicht Der Weg nach Osten war den französischen Truppen abgeschnitten. Die 3. Armee rückte an die Maas heran, die sie an diesem Tage von Remilly bis westlich Donchery beherrschte. Südlich von Mézières kam sie bereits mit dem gerade heranrückenden französischen 13. Korps in Berührung. Die weiter rückwärts stehenden Teile dieser Armee - das VI. Armeekorps und die 5. Kavalleriedivision - machten Front gegen die Eisenbahnlinie von Reims und Mézières. Damit war den französischen Kräften auch der Rückzug nach Westen abgeschnitten. Im Rücken hatten sie die belgische Grenze. Das deutsche Hauptquartier rechnete aber auch mit dem Übertritt der französischen Armee auf belgisches Gebiet. Bismarck forderte die belgische Regierung auf, in einem solchen Falle den Gegner sofort zu entwaffnen. Im Weigerungsfall würden die deutschen Truppen sofort in Belgien einrücken.

Da das deutsche Hauptquartier annahm, die französische Armee werde am 1. 9. versuchen, unter Zurücklassung ihres Trosses nach Mézières zu gelangen, wurde in der Nacht vom 31. 8. zum 1.9. die 3. Armee über die Maas vorgeschoben und stellte sich quer zur Straße Sedan-Mézières auf. Indessen standen die französischen Truppen immer noch in dem engen Dreieck, das vom Floing-Bach, der Maas und der Givonne begrenzt wurde. Den östlichen Teil der Front von Bazeilles bis zu den Höhen westlich der Givonne hielten das 12. und das 1. Korps besetzt. Im Norden schloß daran bis Floing das 7. Korps an, verstärkt durch eine Brigade des 5. Korps. Dieses diente als Reserve der Armee. Besondere Befehle für den 9. waren nicht an die Truppen ergangen.

Die Schlacht von Sedan

Die Schlacht von Sedan begann am 1. 9. mit dem massierten Feuer der deutschen Artillerie auf das südöstlich von Sedan liegende Dorf Bazeilles. Das der 3. Armee unterstellte bayrische 1. Armeekorps ging gegen 4.00 Uhr über die Maas, seine Angriffe scheiterten jedoch am gegnerischen Widerstand. Obwohl die französischen Führer bereits die anmarschierenden Einheiten des XII. Armeekorps sahen - von Remilly her rückte das IV. Armeekorps heran -‚ hofften sie in völliger Verkennung der Lage, gegenüber der deutschen Maasarmee einen völligen Sieg zu erringen, ehe noch der linke Flügel der deutschen 3. Armee wirksam in die Kampfhandlungen eingreifen könnte.

Schon in den Morgenstunden wurde deutlich, daß sich die französische Armee nicht nur in einer strategisch fast aussichtslosen Lage, sondern auch in einer taktisch unglücklichen Situation befand. Die deutschen Truppen rückten mit starker Artillene konzentrisch heran. Bei ihrer weiteren Annäherung mußte unweigerlich der Moment eintreten, in dem die deutschen Geschütze den gesamten vom Gegner besetzten Raum mit wirksamem, vernichtendem Feuer belegen konnten. Nach Beginn der Schlacht trat infolge der Verwundung Mac Mahons bei La Moncelle ein Wechsel in der französischen Führung ein. Den Oberbefehl übernahm zunächst General Ducrot, der die Schlacht für verloren hielt. Er entschloß sich, die Truppen aus ihren Stellungen ostwärts von Sedan herauszuziehen, bei Illy zu versammeln und den Durchbruch bei Mézières zu unternehmen. Dazu mußten jedoch zunächst die deutschen Truppen an der Givonnefront zurückgedrängt werden. 


Schlacht von Sedan 1.9.1870

Die Befehle wurden erlassen, die ersten Truppenverschiebungen eingeleitet, jedoch bald wieder eingestellt Die Ursache lag bei General Wimpffen, der eine Vollmacht der Regierung besaß, die ihn berechtigte, an Stelle Mac Mahons den Oberbefehl zu übernehmen. Trotz der verzweifelten Lage hoffte er noch auf einen Sieg über die Maasarmee und entschloß sich zum Durchbruch an der Givonne in Richtung Carignan. Die schon abmarschierten Divisionen kehrten zurück und brachten die deutschen Truppen durch heftige Gegenangriffe. an der Givonne in schwierige Situationen. Bei den deutschen Truppen, die sich der französischen Angriffe nur durch außerordentlich heftiges Feuer erwehren konnten, trat Munitionsmangel ein. Die Artillerie mußte zeitweilig aus dem Givonne-Tal zurückgezogen werden, wodurch sich die Lage der deutschen Infanterie verschlechterte. Doch das baldige Eintreffen starker Kräfte führte einen Umschwung herbei. Deigny wurde genommen. Gegen 10.00 Uhr standen die Spitzen des Gardekorps an der oberen Givonne zum Angriff bereit, ebenso das IV. Armeekorps auf dem rechten Givonne-Ufer hinter dem bayrischen 1. Armeekorps. Damit war der Plan General Wimpffens bereits gescheitert. Es bestand keine Aussicht, den Durchbruch durch diese starke Truppenkonzentration zu erzwingen.

Das XI. und das V. Armeekorps sowie die württembergische Felddivision waren gegen 6.00 Uhr bei Donchery über die Maas gegangen. Sie gingen zunächst über die Straße Sedan- Mézières nach Norden vor, schwenkten aber dann nach Osten auf St. Menges ein. Nur die Württemberger blieben beobachtend bei Mézières stehen. Die deutschen Kräfte drangen zunächst ungehindert vor, da die französischen Truppen den zur hartnäckigen Verteidigung gut geeigneten Engpaß von St. Albert nicht besetzt hatten. Erst bei St. Menges trafen sie auf zurückgehende französische Einheiten. Die deutschen Truppen besetzten nach harten Kämpfen Floing und entwickelten sich gegen Illy. Hier wurde ihr Vordringen durch eine starke französische Artilleriegruppe aufgehalten. Die Artillerie des VI. und XI. Armeekorps überschüttete die französischen Truppen darauf mit heftigem Feuer. Die Infanterie umfaßte sie gegen Fleigneux. Gegen 10.00 Uhr erzwangen sich das Gardekorps, das XII. und das bayrische 1. Armeekorps auch die Übergänge über die Givonne bei Garenne. Damit war der Ring um die französische Armee fest geschlossen. Die deutschen Truppen stießen an der Givonnefront bis Fond de Givonne und Balan vor. Die Gardekavallerie drang im Givonne-Tal nordwärts vor und nahm auch hier die Verbindung mit der 3. Armee auf. Unter dem massiven deutschen Druck begannen die französischen Einheiten von Illy zu weichen. Ihr Versuch eines Ausbruchs bei Floing scheiterte unter schweren Verlusten. Nun kreuzte sich bereits das Feuer der Batterien der 3. Armee und des Gardekorps. Die Lage der französischen Truppen begann katastrophal zu werden.

General Wimpffen warf die Reserve, das 7. Korps, nach Norden. Gleichzeitig wich aber das 12. Korps zurück. Ihre Bewegungen kreuzten sich, die Verwirrung und Desorganisation in der eingeschlossenen französischen Armee wurden noch stärker. Nur eine Division des 7. Korps verteidigte erbittert die Höhen nördlich Cazal. Sie wurde gegen 13.00 Uhr vom preußischen XI. und V. Armeekorps angegriffen. Der französische Widerstand begann zu erlahmen, vor allem durch das immer wirksamer werdende Feuer der deutschen Artillerie, das von allen Seiten auf den Gegner einwirkte.


Schlacht bei Sedan

Noch einmal unternahmen sieben französische Kavallerieregimenter einen tollkühnen Versuch, durch ihre Attacke die Lage zu verändern. Ihr Angriff zerschellte an der Enge von St. Albert, die zerschlagenen Schwadronen fluteten zurück, die deutsche Infanterie stieß sofort nach und nahm Cazal. Nun drängte sich die französische Infanterie im Bois de la Garenne zusammen, aber teilweise immer noch Widerstand leistend. General Wimpffen entschloß sich, noch einmal einen Durchbruch nach Osten zu versuchen. Diese Idee war jedoch unausführbar, denn das französische Oberkommando hatte die Armee nicht mehr in der Hand. 

Nur noch etwa 6000 Mann griffen auf Balan an und warfen die hier eingesetzte bayrische Infanterie zurück, doch scheiterte jedes weitere Vordringen. Sedan wurde um diese Zeit schon vom linken Maas-Ufer her beschossen. Das preußische Gardekorps griff den Bois de la Garenne an, nachhaltig unterstützt von starker Artillerie, und nahm zwischen 17.00 und 18.00 Uhr den Wald ein. Die aufgelösten französischen Truppen drängten sich nun in Sedan im alten Lager der Festung zusammen. Die Artillerie der Maasarmee war der vordringenden Infanterie über die Givonne gefolgt und feuerte nun völlig ungehindert in die dicht zusammengedrängten Truppenmassen.

Die französischen Truppen wurden in einem Dreieck von etwa 3 Kilometer Seitenlänge von 456 Geschützen umschlossen, das heißt etwa 150 je Frontkilometer, eine für die damalige Zeit mächtige Artilleriekonzentration. Die deutschen Batterien bestrichen von allen Seiten den ganzen noch von französischen Kräften besetzten Raum. Unter diesen Bedingungen war eine Weiterführung des Kampfes sinnlos und unmöglich. Schon gegen 16.30 Uhr wurde auf den Trümmern des Schlosses von Sedan die weiße Flagge aufgezogen, die deutschen Truppen stellten die Kampfhandlungen aber erst nach dem Eintreffen von bevollmächtigten Unterhändlern ein.

Kapitulation

Ihre Verhandlungen über eine Kapitulation dauerten bis zum Vormittag des 2. 9. Es kapitulierten 85 000 Mann, an ihrer Spitze Kaiser Napoleon III. 16 000 Mann waren gefallen und verwundet und 21 000 schon vorher gefangengenommen worden. 3000 Mann konnten nach Belgien entkommen, ein Teil der Kavallerie hatte sich in das Innere Frankreichs gerettet und war nicht bei Sedan eingeschlossen worden. Die deutschen Verluste betrugen 9000 Mann. 

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König Wilhelm nach
 der Schlacht

Insgesamt sahen die Kapitulationsbedingungen vor: Die gesamte französische Armee wird für kriegsgefangen erklärt, ausgenommen sind Offiziere, die sich aber verpflichten müssen, nicht weiter gegen Deutschland zu kämpfen. Alle Waffen, Fahrzeuge, Munition, Geldmittel und die Adler und Fahnen der Truppen waren unverzüglich, die Festung Sedan bis zum Abend des 2. 9. zu übergeben. Napoleon III. wurde als persönlicher Gefangener König Wilhelms I. nach Kassel auf Schloß Wilhelmshöhe gebracht. Der Feldzug gegen die französischen Armeen hatte mit einem großen Erfolg für das deutsche Heer geendet.


Napoleon III. nach seiner Gefangennahme mit Bismarck

Die Rheinarmee befand sich in Metz fest umklammert, Mac Mahons Armee war vernichtet, Napoleon III. in deutscher Hand. Nun hätte der Krieg politisch beendet werden können, denn Frankreich stellte kein Hindernis mehr für die Bildung eines bürgerlichen deutschen Nationalstaates dar. Militärisch war nach Ansicht des preußischen Generalstabes der Krieg gewonnen, denn die französische Feldarmee bestand nicht mehr oder war fest eingeschlossen.

Zwar war der Feldzug anders verlaufen als ihn der ursprüngliche strategische Plan vorgesehen hatte, denn statt einer entscheidenden Generalschlacht zwischen der Saar und der Mosel hatte es sich als notwendig erwiesen, weiträumige Operationen in Ostfrankreich durchzuführen, in deren Verlauf von starken Teilkräften mehrere Schlachten geschlagen werden mußten. In keinem Gefecht war es der französischen Armee gelungen, den Vormarsch des Gegners auf die Dauer ernstlich zu gefährden. Der strategisch-operative und taktische Erfolg lag eindeutig auf Seiten der deutschen Truppen; trotzdem bedeutete die Schlacht von Sedan nicht das Ende des Krieges, sondern nur den Schlußpunkt seiner ersten Etappe.

Frankreich wird Republik

Die deutsche Heeresführung dachte, mit der Ausschaltung der französischen Feldheere wäre der Krieg beendet. Als die Nachricht von der Gefangennahme des französischen Kaisers in Paris eintraf, kam es zu einem Aufstand, die gesetzgebende Versammlung wurde aufgelöst und Frankreich zur Republik erklärt. Der Sturz des Kaisertums und die Ausrufung der Republik hatte die politische Situation grundlegend geändert. Das republikanische Frankreich dachte nicht daran zu kapitulieren und begann mit neuen Truppenaushebungen. Der Sitz der Regierung blieb Paris, ein Teil sollte als sogenannte Delegation der Regierung unter Gambetta in Tours die nationale Verteidigung organisieren. Das neugebildete 13. Korps war der Katastrophe von Sedan entgangen, es wich in Eilmärschen auf Paris zurück, wo sich ein 14. Korps in Aufstellung befand. 

Außerdem waren sowohl von der Rheinarmee als auch von der Armee von Châlons zahlreiche Teile ins Innere Frankreichs gelangt, die als Kader für die Aufstellung neuer Verbände dienen konnten. Frankreich verfügte über eine große Anzahl gedienter Offiziere und Unteroffiziere. Sie konnten zur Formierung neuer Armeen herangezogen werden. Von den noch in der Aufstellung befindlichen neuen Korps war das 14. nach Abschluß der Ausrüstung ebenso wie das bereits aufgestellte 13. für Paris vorgesehen, während in den Provinzen die Korps 15 bis 18 gebildet werden sollten. Hauptsammelplatz dieser Kräfte war der Raum hinter der Loire. 


Gambetta

Ende September befanden sich etwa 60 000 Mann um Orléans, andere Verbände wurden im nordwestlichen Frankreich, bei Rouen und Elbeuf, bei Vernon und Evreux, und in Südostfrankreich um Besançon gebildet.

Die Einschließung von Paris

Nach der Waffenstreckung der französischen Armee bei Sedan beabsichtigte das deutsche Hauptquartier, den unterbrochenen Vormarsch auf Paris sofort wieder aufzunehmen. Die Stadt sollte besetzt werden, um ein weiteres Faustpfand zu besitzen, mit dem Frankreich zur Erfüllung der deutschen Forderungen gezwungen werden könnte. Mit ernsthaftem Widerstand in freiem Felde rechnete der preußische Generalstab noch nicht. Trotz der errungenen Siege befanden sich die deutschen Armeen in einer komplizierten Lage. Ihre eine Hälfte blieb zunächst durch Straßburg und Metz fest gebunden. Auch die notwendige Bewachung der Gefangenen, die Einschließung zahlreicher kleinerer Festungen und die Sicherung der rückwärtigen Verbindungen fesselten starke Kräfte. Für den Vorstoß auf Paris standen somit nur etwa 150. 000 Mann zur Verfügung. Der ursprünglich aufgestellte Belagerungspark war bereits vor den ostfranzösischen Festungen eingesetzt. Für Paris mußte deshalb erst im eigenen Land ein neuer Belagerungspark aufgestellt werden.

Immerhin wurde bereits am 2. 9. eine Reihe von Anordnungen für den Vormarsch getroffen. Bei Sedan blieben das XI. und das bayrische I. Armeekorps zur Bewachung der Gefangenen zurück. Alle anderen Kräfte sollten den Marsch auf Paris antreten: die Maasarmee über Laon gegen die Nordfront von Paris, die 3. Armee über Reims gegen die Pariser Südfront. Während ihres Vorrückens, noch am 4. 9. wurde Reims besetzt, stießen die Armeen zum erstenmal in diesem Kriege auf einen sich versteifenden passiven Widerstand der Bevölkerung. Die französischen Freischärler gefährdeten die Verbindungslinien der deutschen Truppen und zwangen das deutsche Hauptquartier, stärkere Kräfte zur Sicherung des rückwärtigen Gebiets einzusetzen.

Während des deutschen Vormarschs durch die Champagne bereiteten sich die Franzosen darauf vor, Paris energisch zu verteidigen. Gleichzeitig verstärkten die provisorische Regierung und ihre Delegation in Tours ihren Eifer, eine neue Feldarmee aufzubauen, deren Stärke und Kampfkraft ausreichen sollte, Paris im Falle einer Belagerung zu entsetzen. Die geographische Lage von Paris begünstigte eine hartnäckige Verteidigung. Die Seine, die Marne, der Ourcq-Kanal und der Kanal von St Denis setzten einem Angriff von Süden, Osten und Norden erhebliche Schwierigkeiten entgegen. Sie und das von steilen Hängen begrenzte Tal zwischen Versailles und Sèvres gliederten die nächste Umgebung von Paris in sieben Abschnitte, die alle gute Verbindungen nach Paris hatten und auch die Querverbindung der Verteidiger gewährleisteten, während sie die Verbindungen innerhalb der Angriffsarmeen und deren gegenseitige Unterstützung empfindlich schmälerten. 

Zusammensetzung der zur Verteidigung von Paris bereitstehenden Truppen Zur Verteidigung der Stadt waren 16 größere Forts und mehrere kleinere selbständige Schanzen erbaut worden, die in Verbindung mit der 1,5 bis 4,5 Kilometer zurückliegenden bastionierten Stadtumwallung ein starkes Befestigungssystem bildeten. 
Truppengattung

Stärke (Mann)

Geschütze

Linientruppen 75000 bis 80000
Mobilgarden  115000  
Nationalgarden  195000
Freikorps  18000
Artillerie   2627
davon Festungsartillerie der Stadt   805
davon Festungsartillerie der Forts   1389

Insgesamt verfügte die französische Führung zur Verteidigung der Hauptstadt über mehr als 350 000 Mann. Allerdings waren diese Truppen bunt zusammengewürfelt, mangelhaft ausgebildet und ausgerüstet und deshalb mindestens zu Beginn der Einschließung nicht in vollem Maße im freien Feld zu Ausfällen und energischen Gegenangriffen zu verwenden. Der Unterstützung der Festungsartillerie diente eine neugebildete Flußflottille aus fünf schwimmenden Panzerbatterien, sechs gedeckten Dampfschaluppen, einer Jacht und neun Kanonenbooten. Im Laufe der Zeit wurden aus dem reichlich vorhandenen Geschützmaterial auch 124 Feldbatterien geschaffen.

Das Kommando der Verteidigung von Paris lag in den Händen des Präsidenten der französischen Regierung, General Trochus. Obwohl er von dem Gedanken beherrscht war, daß es eine Torheit sei, Paris zu verteidigen, sahen er und sein Stab sich gezwungen, zunächst alle Anstalten zu einer hartnäckigen Verteidigung zu treffen. Sowohl Munition als auch Lebensmittel waren ausreichend vorhanden. Damit war Paris insgesamt gut auf eine mehrwöchige Belagerung vorbereitet. 

Angesichts dieser Lage, über die sich das deutsche Hauptquartier inzwischen informiert hatte, war es unmöglich, die rasche Einnahme von Paris durch einen gewaltsamen Angriff zu erzwingen. Der Chef des preußischen Generalstabes entschloß sich jetzt endgültig, die verfügbaren Feldtruppen für die nächste Zeit auf eine enge Einschließung von Paris zu beschränken. Dafür konnten Mitte September etwa 150.000 Mann mit 620 Feldgeschützen eingesetzt werden. Ihnen fiel indessen gleichzeitig die Aufgabe zu, mögliche, aber nicht wahrscheinliche Entsatzversuche des Gegners abzuwehren. Moltke rechnete jedoch mit dem baldigen Nachrücken der bei Sedan zurückgelassenen Armeekorps.

Die zur Verfügung stehende Feldartillerie war für eine Beschießung .der Riesenstadt völlig nutzlos. Der neu formierte Belagerungspark, vor allem schwere Artillerie, konnte in ausreichender Menge erst nach der Sicherstellung einer leistungsfähigen Eisenbahnverbindung herbeigeschafft werden. Das setzte den Fall von Toul und die Beseitigung der Folgen der Sprengung des Eisenbahntunnels von Nontueil-sur-Marne voraus. Der Entschluß des deutschen Hauptquartiers legte für die Einschließung von Paris folgendes fest: Die Maasarmee sollte mit starken Kräften Argenteuil besetzen und mit drei Armeekorps die Einschließung von Paris vom rechten Seine-Ufer unterhalb der Stadt bis an die Marne übernehmen. Ihre Kavallerie sollte über Poissy die Verbindung mit der Kavallerie der 3. Armee herstellen. Die 3. Armee hatte den Ring um Paris zu schließen. Die Armeen sollten so nah wie möglich an die Stadt herangehen, aber den Feuerbereich der Befestigung vermeiden. Ihnen wurde befohlen, die von ihnen eingenommenen Stellungen sofort zu befestigen. Die Kavallerie der 3. Armee sollte gegen Orkans und die Loire aufklären, um Klarheit über die dort in Aufstellung befindlichen französischen Einheiten zu erhalten. Für die 3. Armee wurde weiter festgelegt, daß sie etwaige Entsatzversuche ein bis zwei Tagesmärsche vor der Stadt entschieden zurückzuweisen habe.

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Einschließung von Paris

Am 16.9. stand die Maasarmee bei Nanteuil und nordöstlich davon zwischen Menux und Brie-Compte-Robert. Die 3. Armee hatte die Ostseite von Paris erreicht Brücken über die Marne und Seine wurden geschlagen und ein Brückenkopf bei Villeneuve St Georges gebildet. Am 18. 9. setzten beide Armeen den Vormarsch fort und schlossen am 19. 9. die Einschließung von Paris ab. Das IV. Armeekorps stand im Norden an der Seine unterhalb von Paris, das Gardekorps an der großen Straße Paris—Lille, weiter östlich davon das XII. Armeekorps bis zur Marne.

Im Bereich der Maasarmee war es nicht zu Kampfhandlungen gekommen. Nur im Bereich der 3. Armee südlich von Paris entwickelte sich ein erbittertes Gefecht. Das V. Armeekorps rückte am 19. 9. auf Versailles vor. Es wurde bei Villecoublay—Bicêtre vom französischen 14. Korps angegriffen, konnte aber die Angriffe erfolgreich zurückschlagen. Außerdem kam ihm das bayrische II. Armeekorps zu Hilfe. Die französischen Truppen wurden von weitaus überlegenen Kräften auf beiden Flügeln umfaßt und wichen großenteils aufgelöst auf Paris zurück. Die Truppen der 3. Armee standen am 19. 9. in folgender Aufstellung: V. Armeekorps bei Versailles, bayrisches II. Armeekorps rechts davon auf der Hochfläche von Bicêtre, VI. Armeekorps an den Straßen von Paris nach Fontainebleau und Orléans und daneben an der Marne die württembergische Division. Das XI. Armeekorps und das bayrische 1. Armeekorps hatten sieh auf ihrem Marsch von Sedan den Hauptkräften bereits bis auf zwei Tagesmärsche genähert.

Zu derselben Zeit, da die deutschen Truppen einen festen Ring um Paris zu legen begannen, führte die provisorische Regierung erste Geheimverhandlungen mit Bismarck. Bereits am 10. 9. hatte der neuernannte Außenminister Jules Favre mit Bismarck Gespräche anzubahnen gesucht. Dieser lehnte zunächst ab, erklärte sich dann aber unter dem Einfluß der englischen Botschaft doch zu Aussprachen bereit. Am 19. 9. trafen sich Favre und Bismarck. Die Verhandlungen sowohl über einen Waffenstillstand als auch über einen Friedensschluß scheiterten zunächst.

Die Maasarmee dehnte sich nach rechts über die Halbinsel Argenteuil aus und trat am 21. 9. mit den Vorposten der 3. Armee in Verbindung. Damit war Paris auch von Westen völlig abgesperrt. Die Einschließungslinie verlief wie folgt: Chaton westlich von Paris—Argenteuil—Höhen von Montmorency im Nordwesten—Morée-Bach im Norden—Marne—Noisy-le-Grand— Ormesson—Villeneuve St Georges—Höhenränder südlich Paris— Versailles—Bougival.

Die Belagerung der ostfranzösischen Festungen

Vor Toul stand eine Division des XIII. Armeekorps. Am 23. 9. wurde die Beschießung mit 62 schweren Belagerungsgeschützen aufgenommen. Die Festung fiel noch am selben Tag. Langwieriger war der Kampf um Straßburg. Gegen diese Festung wurden 40000 Mann, 200 gezogene Kanonen und 88 Mörser eingesetzt. Nach einer erfolglosen Beschießung am 25. und 26. 8. begann am 30. 8. die regelrechte Belagerung, der Belagerungspark bestand aus 124 schweren Geschützen. Die Beschießung erfolgte ohne Rücksichtnahme auf die Stadt und die Bevölkerung. Straßburg kapitulierte erst am Morgen des 28. 9. nach mehreren erfolglosen Ausfällen der Besatzung, nachdem keine Hoffnung auf Entsatz mehr bestand und die Vorräte der Garnison an Lebensmitteln und Munition nahezu verbraucht waren.

Französische Festungen

Festung Besatzung (Mann) Geschütze
Metz  175000 .  1498
Straßburg  23000 unbekannt
Toul  2300  über 70
Neu-Breisach  5500  unbekannt
Schlettstadt  1900  120
Verdun  6000  140
Soissons  Besatzung nicht bekannt
Bitsch 

Nur von schwachen Kräften besetzt

Der Fall von Toul und Straßburg erleichterte die Lage der deutschen Armeen bedeutend. Einerseits war nun ein großer Teil des für die Belagerung von Paris notwendigen Materials verfügbar, und die Belagerungstruppen konnten für andere Aufgaben eingesetzt werden. Zum anderen stand der Belagerungsarmee von Paris nun die Eisenbahnverbindung zur Saar für den dringend benötigten Nachschub zur Verfügung.

Der Fall von Metz

Die Lage vor Metz hatte sich den ganzen September hindurch kaum verändert. Die Kapitulation bei Sedan und der Sturz des Kaiserreichs bestärkten Bazaine in seinem Entschluß, mit der Rheinarmee in Metz zu verbleiben und auf ernsthafte Durchbruchsversuche zu verzichten.

Nach inzwischen erfolgten Erhebungen verfügten die Besatzung der Festung und die Einwohner, deren Zahl durch geflüchtete Landbewohner auf 70000 angewachsen war, zu Beginn der Einschließung über Vorräte für drei Monate. Die Rheinarmee besaß selbst Vorräte für 40 Tage. Jedoch war sie in der Lage, sich durch Requisitionen in der näheren Umgebung der Festung und das Abschlachten von Pferden für eine längere Zeit zu versorgen. Da auch Munition ausreichend zur Verfügung stand, besaßen die Verteidiger zunächst alle Möglichkeiten, Metz noch lange Zeit zu halten. Doch schon Anfang Oktober begann sich die Lage der eingeschlossenen Armee zu verschlechtern. Die Zahl der Pferde der Kavallerie schmolz zusammen. Ohne Kavallerie aber war die Armee nicht mehr für größere Operationen im freien Feld zu verwenden. 


Belagerungsgeschütze vor Straßburg

Nach dem Fall von Straßburg kam als Nahziel eines Ausbruchsversuchs nur noch Thionville in Frage. Deshalb verstärkte das Kommando der Belagerungsarmee wieder die Truppen im Norden. Am 7.10. kam es jedoch zu einem französischen Angriff auf der Talsohle an der Mosel, aus dem sich das Gefecht von Landonchamps entwickelte. Bazaine hatte einen Vorstoß nach Norden mit starken Kräften auf beiden Flußufern befohlen, um erneut Lebensmittelvorräte zu gewinnen. Das gelang zu einem großen Teil, wenn auch die französischen Truppen sich vor den überlegenen deutschen Kräften bald zurückziehen mußten. Die Rheinarmee hatte damit ihren letzten großen Angriff bei Metz geführt.

Die Lage in und außerhalb der Festung war im Oktober durch häufige Regenfälle sehr erschwert. Die Unterbringung und Versorgung .der Truppen war mangelhaft, auf beiden Seiten brachen Seuchen aus. Nach dem 23.10. gingen die Lebensmittelvorräte zur Neige und am 24. 10., wurden Verhandlungen mit dem Gegner aufgenommen. Bazaine wollte damit den freien Abzug seiner Armee oder einen Waffenstillstand mit Verproviantierung erreichen. Das wurde abgelehnt. Daraufhin kapitulierte Bazaine unter den gleichen Bedingungen wie die Armee bei Sedan. 173 000 französische Soldaten wurden gefangengenommen, die Belagerer verloren während der Belagerung von Metz rund 9000 Mann. Der schnelle Fall von Metz hatte große operative Bedeutung. Zwei deutsche Armeen wurden frei, um in den Kampf gegen die neu aufgestellten oder in Aufstellung befindlichen Armeen der Französischen Republik einzugreifen.

Kampf um Paris

Vor Paris kam es von Mitte September bis Mitte Oktober nur zweimal zu größeren Gefechten. Die französischen Truppen, die ihre Stellungen eifrig ausbauten, unternahmen am 30. 9. einen Ausfall mit stärkeren Kräften an der Straße von Fontainebleau und Orléans gegen das VI. Armeekorps bei Thiais und Choisy-le-Roi. Sie erlitten dabei schwere Verluste und mußten sich auf ihre Ausgangsstellungen zurückziehen, beeindruckten die Belagerungstruppen und deren Führung aber sehr. Gefechte fanden auch bei Villejuif und Hautes Bruyeres statt. Am 10. und 16. 10. trafen die 17. Division und die Gardelandwehrdivision vor Paris ein. Gerade in dieser Situation unternahm die Garnison von Paris am 13. 10. einen neuen Ausfall. Dieser Stoß, an dem 26000 Mann mit 80 Geschützen beteiligt waren, richtete sich gegen die bayrischen Truppen an der Südfront. Die Franzosen erreichten zwar Anfangserfolge, mußten sich aber am Nachmittag wieder in den Bereich der Forts zurückziehen.

Der weitere Kriegsverlauf in Frankreich

Noch vor der endgültigen Einschließung von Paris war durch die Maßnahmen der »Regierung der nationalen Verteidigung« die Formierung neuer Truppen in Süd- und in Westfrankreich eingeleitet worden. Organisierung und Leitung des nationalen Widerstands übernahm die »Delegation der provisorischen Regierung« in Tours. An ihre Spitze trat jetzt der Innenminister Gambetta, der Anfang Oktober im Ballon die belagerte Hauptstadt verlassen und in Tours auch noch die Funktion des Kriegsministers übernommen hatte.

Den Hauptsammelplatz für die entstehenden neuen Verbände bildete der weite Landstrich hinter der Loire. Hier wurde zunächst das 15. Korps aufgestellt Es bestand Ende September bereits aus drei Divisionen mit zugeteilter Kavallerie, insgesamt etwa 60000 Mann. Im nordwestlichen Frankreich sammelten sich um Rouen und Elbeuf Mobilgarden, Marineinfanterie und Marschbataillone. Sie sollten die Westarmee bilden. Zu ihrem Schutz standen 14000 Mann an der Andelle, im Wald von Lyon und bei Neufchâtel. Es war geplant, nach dem 15. noch elf weitere Korps aufzustellen. Die Aufstellung der größeren Heereskörper schritt rasch fort Unter dem Schutz des 15. und 16. Korps erfolgte die Aufstellung des 17. und bei Nevers die des 18., während ein anderer Verband bei Châteaudun, Brou und Nogent-le-Rotrou die Lücke zwischen den Heeresmassen an der Loire und den im nordwestlichen Frankreich verteilten Streitkräften ausfüllte.

Das bayrische I. Armeekorps wurde bei Arpajon versammelt und sollte die Belagerungs- armee nach Süden absixhern. Ihm wurde auch die 22. Infanteriedivision unterstellt Die 2. Kavalleriedivision sollte in der linken Flanke der Bayern vorgehen, die 6. das Gelände westlich von Arpajon sichern und die 4. die Beobachtung gegen Orléans übernehmen. Diese unter dem Befehl des Generals v. d. Tann stehende Armeeabteilung begann am 8. 10. in drei Kolonnen ihren Vormarsch gegen Orléans. Am 10. 10. kam es bei Artenay zu einem Gefecht mit schwachen französischen Kräften, in dessen Verlauf der Gegner zurückwich.


Tann

Bevor das 15. Korps unter Zurücklassung einer starken Nachhut hinter die Loire zurückgehen konnte, entwickelte sich am 11. 10. das Gefecht von Orléans. Die französischen Truppen wurden geschlagen und zogen sich hinter die Sauldre zurück. Die deutschen Kräfte nahmen Orléans Vorhuten stießen bis zur Loire vor.

Auch im Norden von Paris waren in der Richtung auf Amiens Entsendungen notwendig, um den immer stärkeren Widerstand des Gegners zu brechen. Das nach dem Fall von Straßburg formierte XIV. Armeekorps unter General v. Werder hatte Anfang Oktober neugebildete französische Verbände bei Epinal geschlagen, sie bis Besançon verfolgt und am 26. 10. Gray erreicht.

Jedoch setzte die Kapitulation von Metz mit einem Schlag zwei Armeen frei, die jetzt Operationen gegen die neuen französischen Armeen aufnehmen konnten. Allerdings mußte dazu erst ein neuer Aufmarsch vollzogen werden. Deutlich zeichneten sich um diese Zeit drei Räume ab, von denen aus die französischen Kräfte Versuche zum Entsatz von Paris unternehmen konnten. Es waren dies der Norden mit Rouen—Amiens—St. Quentin, die Gegend an und südlich der Loire und der Südosten an der Saône. Deshalb wurden den bei Metz freiwerdenden Armeen folgende Aufgaben gestellt:

Die 2. Armee, bestehend aus dem III., IX. und X. Armeekorps sowie der 1. Kavalleriedivision, sollte über Troyes— Chaumont gegen Bourges—Nevers—Chalon-sur-Saône vorgehen, wo stärkere französische Truppenansammlungen. vermutet wurden. Die 1. Armee, I., VII. und VIII. Armeekorps sowie die 3. Kavalleriedivision sollte Metz besetzen, Thionville und Montmédy belagern, die Gefangenen abführen und dann über Compiègne marschieren, um im Raum zwischen der unteren Seine und der Oise die Sicherung gegen Entsatzversuche von Norden zu übernehmen. General Werder, dessen Armeekorps nach dem Fall von Schlettstadt und Neu-Breisach durch eine Reservedivision verstärkt worden war, erhielt den Auftrag, die Belagerung Belforts zu decken, die Linie Dijon—Dôle zu halten.

Dem General d‘Aurelle der Loirearmee standen zunächst etwa 70 000 Mann gegen knapp 20000 Mann deutsche Truppen bei Orléans zur Verfügung. Streifende deutsche Kavallerie entdeckte bereits am 7. 11. die auf Meung und Charsonville vorrückenden französischen Kräfte. Die deutschen Truppen verließen Orléans, um nicht abgeschnitten zu werden, und zogen sich auf Coulmiers zurück. Hier entwickelte sich am 9. 11. ein heftiges Gefecht, in dem sie geschlagen wurden. Da ihr rechter Flügel umfaßt war, gingen sie eilig auf Artenay zurück.


Großherzog von Mecklenburg-
Schwerin

Der Erfolg der französischen Kräfte zwang zur Umgruppierung der deutschen Kräfte. Es wurde nun eine aus vier Infanterie- und vier Kavalleriedivisionen bestehende Armeeabteilung unter dem Befehl des Großherzogs von Mecklenburg-Schwerin gebildet. Sie vereinigte sich am 12. 11. bei Angerville. Ihre Stärke betrug etwa 65000 bis 70 000 Mann mit 232 Geschützen.Am 17. 11. erreichten die Spitzen der 2. Armee die Straße Paris— Orléans. Ihre Aufklärung und die Operationen der Armeeabteilung ergaben einwandfrei, daß französische Truppen in voller Stärke vor Orléans standen und vor allem von Südosten her neue Kräfte heranzogen. Am 25. 11. wurde die Armeeabteilung der 2. Armee unterstellt, am 27. 11. gewannen die beiden Gruppierungen in der Gegend von Châteaudun Fühlung.

Die Franzosen zogen nördlich von Orléans Truppen des 16. Korps, das auf dem linken Flügel stehende 17. Korps und starke Franktireursabteilungen heran. Bei Gien bildete sich aus 40000 Mann das 20. Korps. Dorthin rückte auch eine Division des 18. Korps. Aus diesen Kräften wurde jetzt die Loirearmee formiert, deren Befehl General d‘Aurelle übernahm. Ihre Stärke betrug etwa 200 000 Mann. Am 26. 11. befahl Gambetta dem 18. und 20. Korps, die den rechten Flügel der Loirearmee bildeten, das Vorgehen auf Beaune-la-Rolande. Um diesen Ort entwickelte sich am 28. 11. eine Schlacht, nachdem das französische 18. Korps über Juranville und das 20. Korps über Boiscommun vorgedrungen waren. Sie stießen auf das geschwächte preußische X. Armeekorps, dessen 10000 Mann mit 70 Geschützen eine starke Stellung besetzt hielten. Somit griffen zunächst 60 000 Franzosen mit 138 Geschützen bedeutend unterlegene deutsche Kräfte an.

Die deutschen Kräfte im Raum zwischen Paris und Orléans befanden sich zu diesem Zeitpunkt in einer schwierigen Lage. Zur unmittelbaren Abwehr des französischen Stoßes kamen, solange die Armeeabteilung noch nicht herangerückt war, nur die etwa 75000 Mann der 2. Armee in Frage. Es standen jedoch erhebliche Verstärkungen in unmittelbarer Nähe des Gefechtsfeldes. Die französischen Kräfte drängten zunächst das X. Armeekorps zurück und umfaßten erfolgreich seinen linken Flügel. Es gelang nur mit Mühe und Not, diesen Angriff des französischen 18. Korps zum Stehen zu bringen. Das 20. Korps griff den rechten deutschen Flügel an. Um Beaune-la-Rolande wurde erbittert gekämpft. Am Nachmittag trafen die deutschen Verstärkungen ein und warfen die französischen Kräfte zurück. Die französischen Verluste betrugen etwa 4000, die deutschen 1000 Mann.

Das im Zentrum der Loirearmee stehende 15. und die den linken Flügel bildenden Korps (16. und 17. Korps) wurden zu einer Rechtsschwenkung auf Pithiviers angesetzt; war diese ausgeführt, sollten das 18. und 20. Korps erneut vorgehen. Für die Deckung der linken Flanke war das 21. Korps vorgesehen. Bei der Rechtsschwenkung mußten die französischen Kräfte von etwa 90000 Mann auf die Armeeabteilung des Großherzogs stoßen, dessen Streitmacht sich inzwischen auf 35000 Mann verringert hatte.

Das 15., 16. und 17. Korps sollten am 2. 12. ihre Bewegungen beschleunigen. Daraus entwickelte sich am selben Tag die Schlacht von Loigny-Poupry. Das 15. und 16. Korps stießen hier auf bedeutende deutsche Kräfte. Im Verlauf heftiger Kämpfe schlugen die deutschen Truppen nur unter großen Schwierigkeiten alle französischen Angriffe zurück, sie erlitten dabei große Verluste.

Das Oberkommando der deutschen 2. Armee erhielt am 2. 12., nachdem es am Vortag noch ergebnislos einen Angriff auf die weit auseinandergezogene Linie der Armee erwartet hatte, vom Hauptquartier den Befehl, von der Verteidigung zum Angriff überzugehen und auf Orléans vorzustoßen. Am 3. 12. trafen die Verbände der 2. Armee auf das auf der Linie Artenay—Toury stehende französische 15. Korps. Die französischen Kräfte waren im Begriff, den Rückzug anzutreten, verteidigten jedoch zunächst hartnäckig ihre Stellungen. Um Artenay, tobte ein erbittertes Artilleriegefecht. Erst gegen Mittag konnten Artenay und Chevilly von den deutschen Truppen genommen werden. Auch bei St. Germain-le-Grand, bei Santear und Chilleurs kam es zu Gefechten. Tapfer kämpfend gingen die Franzosen in den Wald von Orléans zurück.

Der deutsche Stoß hatte das französische 15. Korps hart getroffen. Obwohl die anderen Korps von den Kämpfen am 3. 12. wenig berührt wurden, waren auch sie durch die vorherigen Mißerfolge stark erschüttert. Der Stab der Loirearmee entschloß sich daher, den Rückzug über die Loire fortzusetzen. Doch die Regierungsdelegation in Tours befahl, die Stellung vor Orléans bis zum äußersten zu halten. Da es auch dem 18. und 20. Korps nicht gelang, Orléans zu erreichen, stand für die Verteidigung der Stadt nur das 15. Korps zur Verfügung.


Blumenthal

Am 4. 12. traten die deutschen Truppen zum Angriff gegen die Befestigungen auf der Linie Gidy—Carcottes an. Vor allem bei Careottes und vor Orléans entwickelten sich heftige Kämpfe. Das Gefecht wurde abends aber abgebrochen, ohne daß es dem Angreifer gelungen war, die Stadt zu erreichen. Das gelang den Truppen der Armeeabteilung erst in der Nacht, nachdem die französischen Truppen freiwillig ihre Stellungen geräumt und den Rückzug über die Loire angetreten hatten. Mit der Aufgabe von Orléans teilte sich die Loirearmee endgültig in zwei Gruppierungen. Das 15., 18. und 20. Korps gingen auf dem linken Ufer in Richtung Salbris zurück, das 16. und 17. Korps marschierten am rechten Ufer in Richtung Beaugeney weiter.

Das französische 15. Korps hatte in der Schlacht von Orléans etwa 20000 Mann verloren, die zumeist in Kriegsgefangenschaft geraten waren. Dem standen deutsche Verluste von nur 1700 Mann gegenüber. Zwar war es nicht gelungen, die Loirearmee durch einen konzentrischen Angriff zu vernichten, aber ihre Teilung stellte einen Erfolg dar.

Aufstellung der Nordarmee

Lille bot sich geradezu als Stützpunkt an, und die Somme mit Abbeville, Amiens, Péronne und Ham bildete eine starke Verteidigungslinie. Hier sollte ebenso wie an der: Loire eine starke Armee aufgestellt werden. Diese Truppen wurden zunächst von General Bourbaki und dann von General Faidherbe befehligt. Den Kern dieser Nordarmee bildete das 22. Korps. Zunächst sammelten sich etwa 15 000 Mann um Lille. Auf die Nachricht vom Vormarsch deutscher Truppen gegen die Somme wurden alle verfügbaren Kräfte sofort bei Amiens vereinigt Flier standen unter General Favre etwa 17 500 Mann mit rund 50 Geschützen, während 8000 Mann Mobilgarden mit 12 Geschützen eine verschanzte Stellung südlich von Amiens bezogen. Außerdem bildete sich unter General Briand bei Rouen in der Normandie eine zweite Gruppierung in Stärke von 43000 Mann mit 27 Geschützen. Die französische Nordarmee bildete eine ernste Gefahr für die deutsche Belagerungsarmee vor Paris. Sie bedrohte außerdem Ende Oktober/Anfang November die rechte Flanke der nach Westen marschierenden deutschen 2. Armee.


Bourbaki

Im Oktober hatte das deutsche Hauptquartier aus Mangel an Kräften nur einige schwache Abteilungen der 4. Armee zur Deckung der Belagerung von Paris gegen Angriffe von Norden eingesetzt Nach dem Fall von Metz wurden Teile der 1. Armee unter General Manteuffel (VIII. Armeekorps und Teile des 1. Armeekorps) gegen die französische Nordarmee angesetzt. Ihre Stärke betrug etwa 30000 Mann und etwa 130 Geschütze. Die deutsche Armeeführung vermutete die französischen Kräfte im Raum Rouen.

Der Stab der 1. Armee beschloß den Angriff, wollte aber erst alle Truppen versammeln. Die angreifenden deutschen Kräfte stießen jedoch schon vorher auf den Gegner. In dem Treffen von Villers-Bretonneux am 27. 11. gelang es der zahlenmäßig überlegenen deutschen Armee, die französischen Truppen zu schlagen und sie zur Räumung von Amiens zu zwingen. Die Zitadelle von Amiens kapitulierte allerdings erst am 30. 11. Die französischen Kräfte zogen sich von Amiens auf Arras zurück.

Nachdem etwa zur gleichen Zeit auch La Fère gefallen war, standen dem Oberkommando der 1. Armee zwei volle Armeekorps und eine Kavalleriedivision zur Verfügung. Mit diesen Kräften wurde der Marsch auf Rouen fortgesetzt. Unter General Faidherbe standen das französische 22. und 23. Korps (etwa 43000 Mann mit 82 Geschützen) an der Hallue und ostwärts von Amiens. Durch ihre Konzentrierung wollte die Nordarmee die deutschen Truppen am Angriff auf Le Havre hindern, dessen Besitz für die Ausrüstung der neuen französischen Feldtruppen von größter Bedeutung war.

Erst am 23. 12. stieß die deutsche 1. Armee auf Albert vor. Die Nordarmee stand in einer starken Stellung am ostwärtigen Ufer der Hallue. Hier entwickelte sich am selben Tag ein rein frontaler Kampf, in dem die französischen Truppen einige Dörfer und die Hallue-Übergänge verloren, ihre Stellung aber im wesentlichen erfolgreich verteidigen konnten. Auch am 24. 12. erreichten die deutschen Truppen keine bedeutenden Erfolge. Trotzdem entschloß sich die Führung der Nordarmee am nächsten Tag zum Rückzug, als Truppen des Gegners in der Flanke angriffen. Die deutschen Kräfte folgten über Albert bis vor Cambrai und Arras. Dann wandte sich die 1. Armee mit Teilkräften eilig nach Rouen zurück, um auch in dieser Richtung den Gegner wieder zurückzudrängen und das hier stehende 1. Armeekorps zu unterstützen. Im Norden blieb das VIII. Armeekorps in einem weiten Bogen von Amiens bis Bapaume zum Schutz der Pariser Belagerungsarmee stehen. Eine Reservedivision übernahm die Belagerung von Péronne.

Aufstellung der Vogesenarmee

Im Südosten Frankreichs hatte sich Anfang Oktober bei Langres und Epinal eine Vogesenarmee in Stärke von etwa 30000 Mann versammelt. Dahinter wurden bei Dijon, Besançon und Lyon größere Verbände aus Nationalgarden, Mobilgarden und Franktireurs formiert. Gegen diese französischen Truppen setzte das deutsche Hauptquartier nach dem Fall von Straßburg das XIV. Armeekorps (etwa 25000 Mann) unter General Werder ein. Es wurde zu diesem Zweck in vier selbständige Brigaden gegliedert, die eine Zuteilung von Kavallerie und Artillerie erhielten, um unabhängig voneinander operieren zu können

Der Befehlshaber der Vogesenarmee, General Cambriels, schob dem Gegner den größten Teil seiner kampffähigen Truppen (15 000 Mann) an die Meurthe entgegen. Hier, an den Ausgängen der Vogesenpässe, entwickelten sich harte Kämpfe, in deren Verlauf die französischen Truppen am 10. 10. Bruyeres räumen mußten. Am 22. 10. kam es zu neuen Gefechten hinter dem Ognon. Jetzt konzentrierten sich die französischen Kräfte bei Dôle und Auxonne, bei Besançon und Dijon. Am 31. 10. kam es zu Gefechten bei Dijon, in deren Ergebnis die deutschen Truppen die Stadt besetzten.


von Werder

Trotz dieser Erfolge war die Lage der deutschen Kräfte in diesem Raum schwierig. Die Vogesenarmee konzentrierte sich bei Besançon in einer Stärke von 45000 Mann mit etwa 40 Geschützen. In dem Raum zwischen Dôle, Pesmes und Auxonne formierte der italienische Nationalheld Garibaldi, der sich der französischen Republik sofort zur Verfügung gestellt hatte, aus Freiwilligenabteilungen eine zweite Vogesenarmee. Sie hatte Ende Oktober eine Stärke von 12000 Mann mit 6 Geschützen erreicht. Weiter abwärts im Saône-Tal bei Nevers war ein weiteres Korps von etwa 18 000 Mann mit 20 Geschützen in Aufstellung. Außerdem bedrohten 12000 Mann, meist Mobil- und Nationalgarden, von Langres aus die rechte Flanke der deutschen Verbindungen. Somit waren die Franzosen ihrem Gegner in diesem Raum bedeutend überlegen. Deshalb wurden die Kräfte des Generals Werder durch die Unterstellung von zwei Reservedivisionen zu einer Armeeabteilung verstärkt Sie sollte die elsässischen Festungen einschließlich Belfort belagern, die Verbindung nach Epinal sichern, Dijon und Gray halten und auf Châlon vordringen.  Die 1. Reservedivision wandte sich zunächst gegen Schlettstadt, das sich nach Beschießung am 24. 10. ergab. Ernstere Kämpfe entstanden um Neu-Breisach und das Fort Mortier, die erst nach neuntägigem Beschuß am 10. 11. kapitulierten. Einen Tag früher war auch Verdun gefallen. Nun marschierte die Division nach Belfort.

Ende November entfalteten die französischen Kräfte eine größere Aktivität Am 24. 11. gingen auch die Truppen Garibaldis von Autun gegen Dijon vor und griffen am 26. 11. vier deutsche Bataillone an, die Division Cremer (10 000 Mann) marschierte von Süden her nach Gevrey. Der Gegner setzte alle verfügbaren Kräfte gegen Garibaldi ein und unternahm gegen ihn einen Vorstoß. Angesichts des entschlossenen Widerstands der Truppen Garibaldis wurde der deutsche Vormarsch bald eingestellt. Belfort wurde eingeschlossen. 


Garibaldi

Am 24. 11. kapitulierte Thionville nach dreitägiger Beschießung. Eine der freiwerdenden Divisionen wurde für die Belagerung der Festungen an der Nordgrenze eingesetzt, die andere marschierte nach Süden, um den Raum zwischen der Armeeabteilung Werder und der 2. Armee gegen den Volkskrieg zu sichern. Mitte Dezember stieß eine deutsche Brigade gegen Langres vor und warf die französischen Kräfte in die Festung zurück. Am 18. 12. drangen zwei Brigaden nach Süden gegen Nuits vor, wo sich ein für beide Seiten sehr verlustreiches Gefecht entwickelte.

Weitere Kämpfe an der Loire

Die zwei Gruppen der Loirearmee waren inzwischen in zwei selbständige Armeen umgewandelt worden: die 1. Loirearmee unter General Bourbaki mit drei Korps bei Bourges und die 2. Loirearmee unter Chanzy am rechten Loire-Ufer bei Beaugency. Die Truppen der 1. Loirearmee waren zunächst nicht zu neuen Kampfhandlungen fähig, sie waren völlig erschöpft und demoralisiert. Die 2. Loirearmee befand sich in einem besseren Zustand.

Gegen die 2. Loirearmee wandte sich die Armeeabteilung des Großherzogs von Mecklenburg-Schwerin. Sie brach am 7.12. von Orléans auf. Ihre Führung erwartete keinen französischen Widerstand. Deshalb war die Front der Truppen fast 15 Kilometer auseinandergezogen. Die einzelnen Verbände hatten nur noch eine geringe Stärke. Die Zahl der Infanteristen der Armeeabteilung war auf etwa 27 000 Mann gesunken. Ohne es zu ahnen, marschierten die deutschen Kräfte geradewegs der 2. Loirearmee entgegen, die aus etwa 110 000 Mann bestand. Chaazy war entschlossen, den deutschen Angriff anzunehmen und zurückzuschlagen. Am 7. 12. entwickelte sich für die Führung der Armeeabteilung überraschend bei Meung ein für die französischen Truppen erfolgreiches Gefecht. Daraufhin wurde am 8. 12. die Front der deutschen Truppen auf die Hälfte verkürzt. Bei Cravant kam es zu heftigen Kämpfen. Die französischen Kräfte griffen mit Schwung an, und die deutschen Truppen erlitten nur deshalb keine Niederlage, weil der linke französische Flügel untätig abwartete, statt in die Schlacht einzugreifen.

Die Führung der 2. Armee entschloß sich, Orléans zu halten und mit ihren gesamten Kräften die Verbände der 2. Loirearmee auf beiden Flügeln zu umfassen, um sie entscheidend zu schlagen, wenn sie länger standhielten. Ohne Kenntnis von diesen Veränderungen griff Chanzy am 10. 12. die deutschen Stellungen an. Die französischen Kräfte erreichten Teilerfolge, aber auch dieser Tag endete ohne Entscheidung. Da nun jedoch klar wurde, daß die von der 1. Loirearmee erwartete Hilfe nicht eintraf, und die Kampfkraft der Truppen bedenklich absank, entschloß sich der Stab der 2. Loirearmee zum Rückzug hinter die Loire.

Die Absicht des deutschen Hauptquartiers bestand darin, die 2. Loirearmee durch schnelle und hartnäckige Verfolgung bis Tours handlungsunfähig zu machen. War das gelungen, dann sollte die Armeeabteilung die 2. Loirearmee von Chartres aus, die deutsche 2. Armee von Orléans aus die 1. Loirearmee in Schach halten. Am 11. 12. begann die Armeeabteilung die Verfolgung der 2. Loirearmee.  Am 17. 12. besetzten die deutschen Truppen kampflos Vendôme. Hier stellte das Oberkommando der 2. Armee den Vormarsch ein, da es ein rasches weiteres Vorgehen nicht verantworten wollte.

Diese Ruhepause benutzte der Stab der 2. Loirearmee zur Reorganisation und Auffrischung seiner völlig demoralisierten Verbände. Nach wie vor verfolgte er die Absicht, Paris zu entsetzen. Als erster Schritt dazu war ein Angriff auf Chartres und Mantes vorgesehen. Dadurch sollte Versailles bedroht werden. Am 22. 12. traf aus Paris die Nachricht ein, daß die Lebensmittelvorräte zur Neige gingen und daß sich die Stadt nur noch bis zum 20. 1. 1871 halten könne. Bis dahin mußten unbedingt energische Aktionen unternommen werden. Es wurde ein Zusammenwirken aller französischen Armeen erwogen. Die 2. Loirearmee sollte über Chartres und Evreux vorgehen, die 1. Loirearmee über Nogent-sur-Seine und Château—Thierry und die Nordarmee über Beauvais und Compiègne. Die Einheitlichkeit des Handelns sollte den Erfolg des Angriffs sichern.

Zur selben Zeit setzte jedoch auch eine neue deutsche Offensive gegen die 2. Loirearmee ein. Am 1. 1. 1871 erhielt die deutsche 2. Armee durch das Hauptquartier den Befehl zum Angriff auf die in Le Mans stehenden französischen Verbände. Zur Überwachung der 1. Loirearmee, die man noch bei Bourges vermutete, wurden zwei Armeekorps von Paris nach Montargis und an die Yvonne herangezogen. Bis zum 6. 1. war die 2. Armee, deren Stärke durch die Auflösung der bisherigen Armeeabteilung auf vier Armeekorps und drei Kavalleriedivisionen erhöht worden war, bei Vendôme versammelt. Das XIII. Armeekorps wurde gegen die linke französische Flanke angesetzt Eine Division blieb an der mittleren Loire bei Orkans stehen.

Die 2. Loirearmee war im Lager von Le Mans konzentriert. Je eine Division standen bei Nogent-le-Rotrou, bei St. Calais hinter dem Braye-Bach und bei Château-Renauld. Bereits am 5. 1. stießen die deutschen Vorhuten auf die vorgeschobenen französischen Truppen. Die deutsche Artillerie konnte kaum in die Kämpfe eingreifen. Am 6. 1. kam es zu schweren Kämpfen auf dem linken Flügel bei St. Amand und Montoire sowie am Azay-Bach. Auf dem rechten Flügel wurden Freteval und Beaumont erreicht Das Ziel der deutschen Führung bestand darin, unbeirrt durch die in ihrer linken Flanke stehenden französischen Verbände, konzentrisch auf Le Mans vorzudringen und die 2. Loirearmee vernichtend zu schlagen.

Am 7. 1. entwickelten sich erbitterte Gefechte bei Villechauve, um Equisay und am Braye-Bach. In ihrem Verlauf umfaßte die deutsche 2. Armee mit 58000 Mann Infanterie, 15000 Mann Kavallerie und 324 Geschützen die zahlenmäßig überlegene 2. Loirearmee auf beiden Flügeln. Erst am 8. 1. gelang es den deutschen Truppen dann, durch erfolgreiche Gefechte die Bedrohung ihrer linken Flanke zu beseitigen. Durch Glatteis und Schneestürme blockierte Straßen und das heftige, zielsichere Feuer der französischen Schützen, die geschickt das Gelände ausnutzten, ließen nur sehr langsame Bewegungen zu. Am Abend des 8. 1. stand die deutsche 2. Armee, wenn auch völlig erschöpft, etwa 40 Kilometer vor Le Mans. General Chanzy rief die Truppen seiner Armee auf, ihre Stellungen hartnäckig zu verteidigen. Er befahl den in der ersten Linie stehenden Divisionen, den Gegner sofort anzugreifen und die bereits verlorenen Stellungen zurückzuerobern. Das war zwar angesichts der geringen Kampfkraft unausführbar, aber aus den Vorstößen der französischen Truppen am 10. 1. entwickelten sich harte Kämpfe, die den Beginn der bis zum 12. 1. andauernden Schlacht von Le Mans bildeten. 


Häuserkampf in Le Mans

Die deutsche 2. Armee nahm Parigné und Changé. Der von ihr unternommene Angriff auf das Huise-Ufer endete dagegen erfolglos. Für den 11. 1. befahl Chanzy Widerstand bis zum äußersten. An diesem Tag gelang es den deutschen Armeekorps, trotz falscher Befehle ihres Oberbefehlshabers, die französischen Stellungen in blutigen und verlustreichen Kämpfen an den Flanken zu durchbrechen und die Vorstadt Pontlieue zu erreichen. Am 12. 1. ging der deutsche Sturm erfolgreich weiter, die französische Schlachtlinie löste sich auf, einzelne Verbände traten überstürzt und fluchtartig den Rückzug an. Yvré-l‘Evrêque und die Vorstadt Pontlieue wurden genommen. Die Truppen der deutschen 2. Armee drangen in Le Mans ein, mußten aber bis in die tiefe Nacht schwere Straßenkämpfe führen. Es zeigte sich, daß die 2. Loirearmee durch die deutsche Offensive auf Le Mans faktisch aufgelöst war. Sie hatte allein 25000 Mann an Kriegsgefangenen verloren, 50000 Mann hatten ihre Truppenteile verlassen. Ihr Bestand war auf die Hälfte abgesunken, mit ihrem erneuten Auftauchen im freien Felde konnte in der nächsten Zeit nicht mehr gerechnet werden.

Weitere Kämpfe in Nordfrankreich

Da inzwischen in Nordfrankreich Gefahr für die Belagerungsarmeen entstand, zog das deutsche Hauptquartier das XIII. Armeekorps nach Rouen, um dort das I. Armeekorps abzulösen. Das IX. Armeekorps wurde bei Orléans konzentriert Der Rest der 2. Armee - III. und X. Armeekorps mit drei Kavalleriedivisionen, insgesamt 36 000 Mann mit 186 Geschützen - wurde bei Le Mans zur Sicherung gegen die Reste der 2. Loirearmee belassen. Ihre Führung schob die 4. Kavalleriedivision nach Aleneon und die verstärkte 1. Kavalleriedivision nach Tours vor.

In Nordfrankreich war die französische Nordarmee nach der Schlacht an der Hallue (23./24. 12. 1870) zunächst in Ruhequartiere im Bereich von Arras zurückgegangen. Am 2. 1. 1871 versammelte sie sich an der Scarpe, um dem bedrohten Péronne zu Hilfe zu kommen. 57 französischen Bataillonen standen anfangs nur 16 deutsche Bataillone gegenüber, die schnell auf Bapaume zurückgeworfen wurden. Am 3. 1. entbrannte die Schlacht von Bapaume. Die deutschen Kräfte wurden in die Stadt zurückgedrängt, konnten sich aber dort bis zum Abend halten.

Den Oberbefehl über die 1. Armee übernahm zu dieser Zeit General Goeben, da General Manteuffel nach Südostfrankreich gerufen wurde. Die 1. Armee stand jetzt mit einem bei Amiens nordwärts gebogenen Flügel an der Somme. Sie sollte sich ausschließlich auf die Sicherung der Belagerung von Paris nach Norden beschränken. Bereits am 18. 1. kam es zu einer Gefechtsberührung mit der deutschen 1. Armee, die ihre Kräfte rechtzeitig bei St Quentin zusammengezogen hatte. Die Kräfte der französischen Nordarmee waren 40000, die deutschen Truppen 32000 Mann stark. Trotz ihrer Überlegenheit war die Lage der Nordarmee sehr ungünstig.


Goeben

  Blieb sie bei St Quentin stehen, konnte sie von Südosten, Süden und Westen umfaßt werden. Am 19. 1. kam es zur Schlacht bei St Quentin. Die deutschen Truppen griffen den Gegner in seiner Flanke an und warfen die französischen Truppen, die immer wieder Gegenangriffe unternahmen, in heftigen Kämpfen zurück. General Faidherbe beschloß als einzigen Ausweg den Rückzug auf Cambrai, obwohl dieser nur unter schwierigsten Bedingungen erfolgen konnte

Die Schlußkämpfe um Paris

Bismarck fürchtete, daß der lang andauernde Kampf vor Paris und an der Loire die neutralen Mächte zur Intervention ermuntern, solche Staaten wie Österreich, Dänemark und Italien sogar zur Einmischung veranlassen würde. Auch die Verhandlungen mit den süddeutschen Regierungen über den Anschluß ihrer Staaten an den Norddeutschen Bund litten unter dieser mißlichen Situation.

Die gegebene Situation zwang den Generalstab Mitte Dezember, seine strategische Konzeption zu verändern. Für seine weitere Kriegführung plante er, die Masse der Streitkräfte in einer Zentralstellung nördlich der Loire zu versammeln und die neu aufgestellten französischen Truppen in wiederholten kurzen Vorstößen zu zerschlagen.

Inzwischen hatte sich das Kommando der französischen Kräfte in Paris nach dem gescheiterten Ausfall bei Villiers-Champigny (30. 11. bis 2. 12.) bemüht, die Truppen wieder zu ordnen und ihre Kampfkraft wiederherzustellen. Die Generale entwickelten einen neuen Plan für einen Ausfall. Die Truppen sollten sich über die Halbinsel Genevilliers hinweg den Weg nach Westen bahnen. Dieser Plan wurde jedoch aufgegeben, da kaum noch Hoffnung auf Hilfe durch die Loirearmee bestand. Statt dessen wurde ein Massenausfall nach dem Norden erwogen. Er sollte sich gegen die am Morée-Bach in einer Front von 45 Kilometer Länge stehenden drei deutschen Armeekorps (81 000 Mann) richten. Als Termin für diesen Angriff wurde der 21. 12. vorgesehen. Man wollte dabei mit überlegenen Kräften gegen die deutschen Truppen vorgehen. Zuerst galt es, Le Bourget zu erstürmen, während die 3. Armee gleichzeitig den rechten Flügel der deutschen Stellung angreifen sollte. Erst dann sollte die 2. Armee gegen den Morée-Bach bei Aulnay und le Blanc-Mesnil vorgehen.


Französischer Ausfall bei Le Bourget

Schon der französische Angriff auf Le Bourget am 21. 12. scheiterte. Die hier eingesetzten Mobilgarden des Departements wurden mit vernichtendem Artilleriefeuer empfangen. Ein Teilerfolg bei Ville-Evrart wurde nicht entschlossen ausgenutzt. Auf der Hochebene von Avron blieb die Nationalgarde zwei Tage lang fast ohne Deckung unter ungeheuren Verlusten im Feuer der deutschen Geschütze liegen. Eine neue Ausgangsbasis für französischen Operationen bildete der östlich von Fort Rosny gelegene Mont Avron. Das deutsche Hauptquartier forderte daher von der 4. Armee, den Franzosen diese Position zu entreißen. Das Feuer starker deutscher Batterien (76 Geschütze) erzwang in der Nacht vom 28. zum 29. 12. die Räumung der Stellung.

Ebenso zogen sich die französischen Kräfte aus südlich davon gelegenen vorgeschobenen Positionen über die Marne zurück. Damit war es möglich, mit der deutschen Artillerie näher an Paris heranzurücken. Bis Ende 1870 waren 235 schwere Geschütze und der entsprechende Munitionsvorrat herangeführt worden. Etwa 100 Geschütze waren bereits feuerbereit an der Südfront von Paris eingebaut worden. Damit konnte Moltke seine bisherigen Vorbehalte gegen den Artillerieangriff auf Paris aufgeben, zumal sich seine Hoffnungen auf die schnelle Aushungerung der Stadt nicht erfüllt hatten.

Der Feldzug in Südostfrankreich

In Südostfrankreich hatte sich die Lage erheblich zugespitzt. In der zweiten Dezemberhälfte hatte auf Drängen Gambettas die bei Bourges und Nevers stehende 1. Loirearmee den Vormarsch auf Montargis eingeleitet, da sich inzwischen die deutsche 2. Armee wieder auf Orléans zurückgezogen hatte.Das 15. Korps blieb vorläufig zur Täuschung der deutschen Kräfte bei Bourges und Nevers stehen. Dagegen bildeten das 18. und 20. Korps den Kern einer neuen Ostarmee. Ihr Abtransport nach Chalon-sur-Saône begann bereits am 21. 12. Zu ihr sollte das neugebildete 24. Korps stoßen, das von Lyon nach Besançon verlegt wurde. Der Ostarmee unterstand außerdem noch die selbständige Division Cremer, die Armeereserve und die 7. Militärdivision Besançon. Die Gesamtstärke der Ostarmee betrug mindestens 140 000 Mann, die Zahl der Geschütze etwa 300. Den Oberbefehl über die Armee übernahm General Bourbaki. Seine Armee sollte gemeinsam mit der Vogesenarmee Garibaldis Dijon nehmen, Langres und Belfort entsetzen, die deutschen rückwärtigen Verbindungen durchschneiden, die Aufhebung der Belagerung der Plätze in Nordfrankreich erzwingen und schließlich gemeinsam mit der Nordarmee Faidherbes handeln.

General Werder, der mit seinen geringen Kräften gegen Belfort bisher keine Erfolge erringen konnte, bemerkte den Antransport starker französischer Kräfte auf Besançon rechtzeitig. Er entschloß sich am 27. 12. zur Räumung von Dijon und zur Konzentrierung aller Kräfte bei Vesoul, die am 5. 1. vollzogen wurde. An diesem Tag kam es bereits zu einer Gefechtsberührung. Die deutsche Führung stellte fest, daß es sich bei den vor ihr stehenden Truppen uni die Korps des Generals Bourbaki handelte. Die beiden bei Auxerre und Montargis stehenden und Paris gegen die Loire deckenden Armeekorps waren durch diese Wendung der Dinge freigeworden.


Manteuffel

Sie wurden mit den Truppen General Werders zur Südarmee zusammengefaßt, deren Kommando General Manteuffel übernahm. Das II. Armeekorps wurde nach Nuits-sur-Armançon, das VII. Armeekorps nach Chatillon-sur-Seine geworfen. Aber bis diese Hilfe wirksam werden konnte, war Werder auf seine eigenen schwachen Kräfte angewiesen, deren Hauptaufgabe in der Deckung der Belagerung von Belfort bestand. Mit kaum drei Divisionen konnte er sich im freien Felde nicht gegen mehr als vier französische Korps behaupten. 

Vor den französischen Bewegungen zogen sich die deutschen Truppen ostwärts zurück. Am 9. 1. stießen sie bei Villersexel auf den gleichfalls ostwärts vorgehenden Gegner. Bourbaki hatte das 18., 20. und 24. Korps gegen die drei Divisionen Werders zur Verfügung. Die französischen Truppen standen in einem flachen Bogen südlich von Villersexel. Um das eigene Zurückgehen auf Belfort fortsetzen zu können, sah sich das deutsche Kommando gezwungen, den Kampf mit den französischen Kräften aufzunehmen. Das Gefecht von Villersexel am 9. 1. endete zwar mit einem französischen Sieg, aber die deutsche Führung erreichte ihren Zweck, die Ostarmee zum Stehenbleiben zu bringen und sich beschleunigt abzusetzen. Mit einem Vorsprung von zwei Tagen konnten die deutschen Truppen sich zwischen den französischen Kräften und Belfort an der Lisaine festsetzen.

Am 13. 1. wurden die vorgeschobenen deutschen Abteilungen auf die Lisainestellung zurückgedrängt. Den 14. 1. benutzten die französischen Kräfte zum Aufmarsch vor dem linken Flügel der deutschen Truppen. Das 15., 24. und 20. Korps sollten frontal angreifen, das 18. Korps und die Division Cremer den rechten Flügel des Gegners umfassen. Die Lage der deutschen Truppen war ernst. Sie hatten eine überlegene französische Armee vor sich, eine starke gegnerische Festung hinter sich. Werder wollte hinter Belfort zurückgehen, was jedoch vom Hauptquartier abgelehnt wurde. Somit standen den deutschen Truppen (43 000 Mann mit 114 Geschützen) harte Kämpfe gegen 150 000 Mann mit 360 Geschützen bevor. Allerdings waren bereits die Verstärkungen aus dem Raum Laagres im Anmarsch.

Mit einem französischen Angriff, der abgewiesen werden konnte, begann am 15. 1. die Schlacht an der Lisaine. Die beabsichtigte Umfassung gelang nicht, sie war zu kurz angesetzt und traf auf die deutsche Front. Getäuscht durch die ausgedehnte Aufstellung des Gegners, überschätzte das französische Armeekommando die Stärke der deutschen Truppen. Am 16. 1. holte der französische Angriff weiter nördlich aus. Trotzdem konnte die Lisainestellung von ihren Verteidigern behauptet werden, nur mußten sie ihren rechten Flügel erheblich zurückbiegen, um die französische Umfassung abzuwehren. Hier standen die Franzosen nur noch etwa fünf Kilometer von der Festung Belfort entfernt, deren Besatzung aber nichts unternahm, um die Ostarmee zu unterstützen.

Am 17. 1. unternahmen die deutschen Kräfte einen Versuch, die alte Lage auf ihrem rechten Flügel wiederherzustellen, der aber mißlang. Nun erwarteten sie einen neuen französischen Angriff. Auch General Bourbaki rechnete mit einer Wiederholung des deutschen Angriffs. Deshalb unternahm die französische Ostarmee trotz ihrer zahlenmäßigen Stärke an der Front der Lisainestellung keine ernsthaften Durchbruchsversuche.

Nur gegen den rechten deutschen Flügel führte sie Vorstöße durch, die aber abgewehrt werden konnten. Das Gelände erlaubte keine volle Ausnutzung der französischen Überlegenheit und begünstigte so die Verteidigung. Die erfolglosen Kämpfe führten im Zusammen- hang mit Hunger und Kälte und einer durch die vielen Märsche bedingten körperlichen Erschöpfung vieler Soldaten zu einem weitgehenden Nachlassen der Kampfkraft der französischen Ostarmee. Eine Erneuerung des Angriffs schien völlig aussichtslos zu sein. So entschloß sich Bourbaki am 18. 1. zum Rückzug.

Die deutsche Südarmee hatte mit etwa 60 000 Mann und 168 Geschützen am 14. 1. von Chatillon den Vormarsch angetreten. Auf Vesoul vorgehend, versuchte sie, die Armeeabteilung Werders so schnell wie möglich zu entlasten. Langres mit einer Besatzung von 17000 Mann wurde links liegengelassen, gegen die Vogesenarmee Garibaldis, die inzwischen eine Stärke von 40000 Mann erreicht hatte, wurde bei Dijon eine Brigade zur Sicherung und Bindung belassen. Am 18. 1. war die Linie Is-sur-Tille— Champlitte erreicht. Die Südarmee näherte sich der Saône. Hier erfuhr General Manteuffel von der erfolgreichen deutschen Abwehr an der Lisaine. Er entschloß sich nun, die Richtung des Vormarschs zu ändern. Die Südarmee drang jetzt gegen die Doubs unterhalb Besanvon vor, um die rückwärtigen Verbindungen der französischen Kräfte zu durchstoßen und ihnen den Rückzug zu verlegen. Am 21. 1. überschritten die deutschen Truppen bei Dôle die Doubs, bei Marney die Ognon. Die Armeeabteilung folgte, wenn auch langsam, der französischen Ostarmee.

Am 21. und 23. 1. kam es zu Gefechten mit den Truppen Garibaldis vor Dijon. Die gegen diesen festen Platz vorgehende Brigade erlitt zwar eine Niederlage, aber sie band den Gegner, so daß die Südarmee ihren Vormarsch in den Rücken des Gegners ungestört fortsetzen und Quingey und Villers-Farley erreichen konnte. Von Bourbaki eilends aufgebotene Kräfte, um die letzte Eisenbahnlinie nach Lyon freizuhalten, kamen zu spät. So konnten nur noch wenige Truppenteile mit der Bahn abtransportiert werden. Die Truppen der Armeeabteilung Werders kamen von Nordosten an die Doubs heran, auch südlich des Flusses standen deutsche Abteilungen. Damit war der Rückzug der französischen Ostarmee von Besançon nach Lyon bereits versperrt.

Der Ring um die Ostarmee wurde noch enger gezogen. Am 26. 1. versperrten deutsche Truppen die Straße über Balins und Pont d‘Hery. Auch General Clinchant, der Nachfolger von Bourbaki, blieb nach einem vergeblichen Versuch, sich im Norden Luft zu schaffen, nicht anderes als der Rückzug in Richtung auf die Grenze übrig. Am 27. 1. waren die Trümmer der Ostarmee nördlich und nordwestlich von Pontarlier zusammengedrängt Die Soldaten waren völlig erschöpft und demoralisiert, die Disziplin brach zusammen. Trotzdem sollten Durchbruchsversuche nach dem Süden unternommen werden. Am 28. 1. stand die Armee noch immer eng um Pontarlier. Sie konnte jedoch hier wegen Mangel an Verpflegung nicht länger bleiben. Die Kavallerie wurde nach Les Planches und St. Laurent entsandt, um der Armee die letzte Rückzugsstraße freizuhalten.

Die deutsche Südarmee stand bereits ganz in der Nähe. Ihre Führung plante für den 29. 1. einen allgemeinen Angriff auf Pontarlier. An diesem Tag besetzten deutsche Vorhuten die letzte verbliebene Rückzugsstraße des Gegners. Damit war eine Katastrophe für die französische Ostarmee unvermeidlich geworden. Es kam zu Gefechten vor Pontarlier. Die Führung der Ostarmee protestierte und berief sich auf den inzwischen in Paris abgeschlossenen Waffenstillstand. Da der preußische Generalstab jedoch durchgesetzt hatte, daß sich die Waffenruhe nicht auf Südostfrankreich bezog, wurden die Kämpfe am 30. 1. fortgesetzt. Am 31. 1. waren die Franzosen bei Pontarlier so eng eingeschlossen, daß ihnen nur noch ein Ausweg blieb: Übertritt in die Schweiz und Waffenniederlegung auf neutralem Boden. Am 1. 2. überschritten 90000 französische Soldaten die Schweizer Grenze. Nur die Kavallerie und eine Division waren nach dem Süden entkommen.

Schon am 26. 1. hatte General Manteuffel starke Teile seiner Truppen nach Dijon zurückgesandt und gegen die Vogesenarmee Garibaldis eingesetzt Ein von Garibaldi vorbereiteter Gegenstoß wurde auf Befehl Gambettas eingestellt, statt dessen der geordnete Rückzug eingeleitet und nach erfolgreichen Nachhutkämpfen am 1. 2. Dijon geräumt. Von den deutschen Truppen wurde die Belagerung von Belfort mit aller Energie wieder aufgenommen. Die Festung kapitulierte aber erst am 17./18. 2 unter der Bedingung des freien Abzugs der Truppen. Damit waren die Kämpfe in Frankreich beendet, nachdem der letzte große Versuch der Franzosen gescheitert war, durch Operationen im freien Felde eine Wende im Verlauf des Krieges herbeizuführen. Mit der Ostarmee hatte zum drittenmal in diesem Krieg eine große Feldarmee ihre Waffen gestreckt Der Untergang der Ostarmee hatte sowohl große militärische als auch und vor allem ungeheure moralische Auswirkungen auf die Lage Frankreichs.

Schlußkampf um Paris

Anfang Januar 1871 hatte auch vor Paris die Schlußphase des Kampfes begonnen. Trotz lebhaften Feuers der Forts, besonders des Mont-Valérien, waren bis zum 4. 1. von der deutschen Artillerie 98 schwere Geschütze in 17 Batterien an der Südfront von Paris in Stellung gebracht worden. Am 5. 1. begann die Beschießung der Befestigungsanlagen. Die Forts litten, erheblich, die Truppen mußten aus dem Vorgelände der Stadt zurückweichen. Clamart wurde von deutschen Truppen besetzt. Ein französischer Ausfall am 14. 1. wurde abgewiesen. Von französischer Seite waren an der Südfront 402 Geschütze eingesetzt. Trotz ihres heftigen Feuers gelang es den Belagerungstruppen, ihre Vorposten und einen Teil ihrer Angriffsbatterien weiter vorzuschieben. 

Auch an der Ostfront wurde der Kampf wieder aufgenommen. Hier standen nur 76 Belagerungsgeschütze gegen 191 gezogene französische Geschütze. Trotzdem gelang es der schweren Belagerungsartillerie im wesentlichen, die französischen Werke niederzuhalten. Als das Feuer der Forts schwächer wurde, setzten die Belagerer -  militärisch völlig sinnlos - einen Teil der langen 15-cm-Geschütze mit künstlich vergrößerter Erhöhung gegen die Stadt ein. Täglich wurden etwa 300 bis 400 Geschosse gegen die Wohnviertel von Paris verschossen. Die Lage in Paris verschlimmerte sich im Laufe des Januar wesentlich. Die Beschießung blieb nicht ohne Auswirkungen. Es begann an Lebensmitteln und Brennstoffen zu mangeln. Die schlechten Nachrichten von den Operationen in den Provinzen machten die Hoffnungen auf Entsatz zunichte.


Belagerungsartillerie bei Paris

Am 19. 1. wurde noch ein weiterer Ausfall angesetzt. Es sollte sich um einen Massenausfall gegen die deutschen Linien bei Montretout, Garches und Buzanval handeln. Nur hier auf dem südlichen Teil der Halbinsel Genevilliers und unter dem Schutz des Mont-Valérien konnten sich noch größere Truppenmassen versammeln. Die Ausfallarmee von 90000 Mann unter dem Befehl des Generals Trochu ging in drei Kolonnen nach Südwesten in der Richtung auf Versailles vor. Schon von Anfang an war das Zusammenwirken der Kolonnen untereinander und mit der Artillerie durch das Armeekommando ungenügend organisiert. Mit großem Elan vertrieben die Truppen die deutschen Vorposten und besetzten die Verschanzungen von Montretout, den Park von Buzanval und einen Teil von St. Cloud. Diese geringen Anfangserfolge konnten aber gegenüber den deutschen Truppen, vor allem deren Artillerie, nicht ausgebaut werden. Der französische Angriff kam erst in einigen Richtungen, später an der ganzen Front zum Stehen. Am Nachmittag befahl Trochu den Rückzug, ohne daß eine endgültige Entscheidung gefallen war. Einzelne französische Truppenteile leisteten gegenüber den deutschen Gegenangriffen erbitterten und zum Teil auch erfolgreichen Widerstand. Trotzdem konnten auch sie das Scheitern des Ausbruchsversuchs nicht verhindern. Die hohen Verluste der französischen Truppen in den Gefechten am 19. 1. waren umsonst gewesen.

Friedensverhandlungen

Bereits am 20. 1. erklärte General Trochu jeden weiteren Befreiungsversuch für sinnlos. Zur Beruhigung der Massen wurde General Vinoy als Oberbefehlshaber eingesetzt, Trochu blieb jedoch Chef der Regierung. Am 23. 1. nahm Jules Favre in Versailles Verhandlungen mit Bismarck auf und bat um eine Waffenruhe, um die Stadt zu versorgen. Das deutsche Hauptquartier forderte jedoch die Aufnahme von Waffenstillstandsverhandlungen für alle französischen Armeen außer der Ostarmee Bourbakis und verlangte für die Bereitschaft, bereits in der Nacht vom 26. zum 27. 1. den Kampf vor Paris einzustellen und die Versorgungswege freizugeben, daß den deutschen Truppen alle Forts übergeben und die Anlagen des Hauptwalls abgerüstet werden. 


Favre

Die französische Regierung in Paris ging darauf ein. Am Abend des 26. 1. fanden die Feindseligkeiten vor Paris ihr Ende, die Zufuhr von Lebensmitteln in die Stadt konnte beginnen. Am 28. 1. wurde schließlich zwischen Bismarck und Favre eine Konvention abgeschlossen, die einen zunächst auf 21 Tage befristeten Waffenstillstand vorsah. Am nächsten Tag besetzten die deutschen Truppen die Forts und die Stadt St. Denis, und rund 250 000 Mann der Pariser Besatzung legten ihre Waffen nieder; 602 Feldgeschütze und 1362 schwere Geschütze wurden übergeben. Am 31. 1. trat der Waffenstillstand in Kraft.

Bismarck sicherte der Regierung die Möglichkeit zur Einberufung einer Nationalversammlung nach Bordeaux zu, da in Paris die Lage zu unruhig war. Sie sollte über den Frieden entscheiden. Der preußische Generalstab war wohl mit einer Waffenruhe einverstanden, forderte jedoch, Paris gänzlich zu entwaffnen. Von der Nationalversammlung erwartete er den Sturz der Republik und die Restauration der Monarchie.

Frieden

Am 26. Februar wurde in Versailles ein Präliminarfrieden unterzeichnet. Er sah die Abtrennung eines Teiles von Lothringen, einschließlich Metz, und des Elsaß, ohne Belfort, sowie die Zahlung von 5 Milliarden Francs Kriegsentschädigung an das Deutsche Reich vor. Die Nationalversammlung stimmte diesen zu. Am 10. 5. 1871 wurde in Frankfurt a. M. der Friedensvertrag zwischen Frankreich und Deutschland unterzeichnet. Die Bestimmungen des Präliminarfriedens wurden bestätigt. Bis zur Zahlung der ersten 500 Millionen Francs sollten die Pariser Festungswerke besetzt bleiben, die östlichen Departements bis zur restlosen Bezahlung der 5 Milliarden Francs. Durch den Präliminarfrieden war die Stärke des französischen Linienheeres auf 40000 Mann begrenzt, doch zählte es Anfang April bereits wieder 65000 Mann. Bismarck stimmte seiner Verstärkung auf 80000 Mann und dann sogar auf 110000 Mann zu und ordnete an, eine große Zahl von Kriegsgefangenen rasch zu entlassen und der Regierung von Versailles zu übergeben, damit sie gegen die Pariser Kommune eingesetzt werden konnten.