Ostpreußische Geschichte
1525 - 1713

 

Das Herzogtum Preußen

Nach dem bei der Bevölkerung das evanglische Bekenntnis auf fruchtbaren Boden fiel, wagte der Hochmeister Albrecht von Brandenburg mit Hilfe des polnischen Königs den Ordenstaat zu säkularisieren und in ein weltliches Herzogtum umzuwandeln. Albrecht erklärte sich bereit, die polnische Lehnhoheit anzuerkennen und schwor am 10.4.1524 in Krakau den Lehnseid.

Der neue Herzog war 15 Jahre lang Hochmeister des Deutschen Ordens gewesen. So hat er die vielen segensreichen Errungenschaften kultureller und wirtschaftlicher Art, die der Orden entwickelt hatte, in den neuen, weltlichen Staat übernommen und sie, besonders auf geistigem Gebiete, zu weiterer Blüte gebracht. Man darf auch bei Abrechts aufrichtiger Frömmigkeit ohne Bedenken sagen, daß seine Regierungshandlungen in erster Linie religiös begründet waren. Eine stattliche Zahl von Kirchen und Schulen sind durch ihn errichtet worden. Gottesdienst und Erziehung blieben in den neuen Dörfern nie unberücksichtigt. Er hat auch vielfach konfessionell Verfolgte angesiedelt.



         Hzm Preußen

Der Verwaltungsaufbau beruht ganz auf den bisherigen Einrichtungen des Ordens. An die Stelle der Großgebietiger traten als nächste Ratgeber des Herzogs die vier Oberräte: Landhofmeister, Oberburggraf, Kanzler und Obermarschall. Diesen engeren Rat ergänzten seit 1542 die Amtshauptleute der vier angesehensten Hauptämter Brandenburg, Fischhausen, Schaaken und Tapiau. Sie waren alle Einheimische, während die gelehrten Räte des Hofgerichts bis zur Gründung der Universität Königsberg von auswärts kamen, wie auch schon früher zur Ordenszeit. Die Komtureien wurden zu Hauptämtern, denen mehrere Kammerämter unterstanden, die wie beim Orden von Kämmerern verwaltet wurden. Mit der Zeit wurden einige Hauptämter bei schwierigen Finanzlagen des Staates gegen größere Summen erblich ausgeliehen. Das entsprach den umfangreichen Güterverleihungen an die Söldnerführer nach 1466. Solche verpfändeten Hauptämter waren Gerdauen, Gilgenburg, Dt. Eylau und Schönberg.

Da es nur eine große Stadt, Königsberg, gab, überwogen von vornherein die Vertreter des Adels, der sich jedoch nicht zu einem einheitlichen Stand verschmelzen konnte. Es bildeten sich vielmehr zwei Kurien, die »Herren und Landräte« und »Ritterschaft und Adel«, als »Oberstände« zusammengefaßt. Unter Adel im engeren Sinne verstand man den niederen einheimischen, meist stammpreußischen, mit mittelgroßem Landbesitz. Zur ersten Kurie gehörten die Bischöfe, die reichsfreiherrlichen Geschlechter, Nachkommen der Söldnerführer, wie die Dohna, Schlieben, Tettau, Eulenburg, Egloffstein, Truchseß zu Waldburg, Nostiz, Schenk zu Tautenberg u. a., und die vom Herzog berufenen Landräte, meist Amtshauptleute. Erst Anfang 17. Jh. wurden die Freiherren aus der ersten Kurie hinausgedrängt. Es blieben nur die Landräte, die sich nun auch aus dem niederen Adel ergänzten.

Auf die bedrohliche Lage der Bauernschaft war der Herzog gleich nach der Säkularisation sehr nachdrücklich hingewiesen worden, und zwar durch den samländisch-natangischen Bauernaufstand vom September 1525. Die Schuld lag nicht allein bei Albrecht. Schon zur Ordenszeit waren die freien Bauern, insbesondere die stammpreußischen freien Hofbesitzer, die durch ihren Reiterdienst in den langen Kriegen viel zu oft ihrer Wirtschaft ferngehalten worden waren, fast in die Notlage der unfreien Bauern abgesunken. Überdies hatte sich bei den Amtleuten der Mißbrauch eingeschlichen, entgegen den Handfesten auch von den Freien Scharwerk zu verlangen, weil die Arbeitskräfte knapp geworden waren. Viele freie Bauern waren schon damals zu Gutsuntertanen geworden.

Deshalb war die Masse der Teilnehmer am Aufstand von 1525 von den wirtschaftlich schwer bedrohten Preußisch Freien gebildet. Im Grunde loyal gesinnt, wollten sie lediglich demonstrieren und haben auch keine Ausschreitungen verübt. Der Herzog war nicht im Lande. Nach seiner beschleunigten Rückkehr konnte der Herzog wählen, ob er den bäuerlichen Mittelstand kräftigen oder dem Großgrundbesitz preisgeben wollte. So entschied sich Albrecht für eine halbe Maßnahme: Die Hinrichtung dreier Rädelsführer war milde im Vergleich zu den grausamem Urteilen im Reiche; aber dieses Blut war das einzige, das damals in Preußen geflossen ist. Die Bauern fühlten sich verraten und wurden schwankend im Glauben an den Rechtsschutz durch den Landesherrn. Erst die Bauernbefreiung von 1807 hat Abhilfe geschaffen. Einstweilen nahm das Bauernlegen seinen Fortgang.

Die Stellung der Stände war recht einflußreich, wenn auch keineswegs übermächtig. Sie hatten nicht nur die Bewilligung der Steuern, sondern auch die Verwaltung der einkommenden Gelder. Diese wurden in drei »Steuerkasten« für die einzelnen Bezirke gesammelt: den samländischen im Norden, den natangischen im Südosten und den oberländischen im Südwesten. Darf über stand der »Landkasten« als selbständige Behörde neben der herzoglichen »Rentkammer«.

Als oberste Kirchenbeamte wurden die Bischöfe, die auf ihr Territorium verzichtet hatten, bis Ende 16. Jh. beibehalten. Es blieb bei den zwei Bistümern: Samland für den Norden, Pomesanien für den Süden. 

Die Verweltlichung von 1525 leitete auch eine Blüte geistiger Kultur ein. Bildung und Kunstpflege waren humanistisch. Der Gedankenaustausch zwischen Ost- und Westpreußen war rege. In Danzig wurde der neue Geist nicht weniger gepflegt wie zu Königsberg. Die drei ermländischen Bischöfe zwischen 1523 und 1551 stammten aus Danzig: Moritz Ferber, Johannes Dantiscus und Tiedemann Giese. Der große preußische Astronom Nikolaus Copernicus, Thorner Bürgerssohn und Domherr zu Frauenburg, der die alte Lehre der Pythagoräer von der Umdrehung der Erde um die Sonne, die durch Ptolemäus für fast anderthalb Jahrtausende verschüttet worden war, zu wissenschaftlicher Gewißheit erhoben hat, hat an der Schaffung einer einheitlichen Münze für Ost- und Westpreußen mitgearbeitet und war als Arzt wiederholt in Königsberg, wo er den Herzog kennenlernte, mit dem er in Briefwechsel gestanden hat. Das große Werk, das seine Entdeckung festhielt, »De revolutionibus orbium caelestium libri VI«, erschien erst in seinem Todesjahr 1543 zu Nürnberg.

Andere führende Humanisten waren die beiden Kanzler Apel und Fischer und der Erfurter Crotus Rubeanus, Verfasser der »Epistolae virorurn obscurorum«, zeitweise Rat des Herzogs. Bekannte Namen von Klang sind ferner die Holländer Gnaphaeus und Rex Polyphemus, Neffe des Erasmus von Rotterdam, der eine Pädagoge, der andere Bibliothekar. Im Jahre 1540 war die Schloßbibilothek gegründet worden. Weiter sind zu nennen: der herzogliche Leibarzt Aurifaber, der Mathematiker und Kartograph Zell, der 1542 die erste gedruckte Karte Preußens herausgab.

Zwei Jahre darauf, am 17. 8. 1544, kommt die Gründung der Universität Königsberg zustande, schon längst eine Notwendigkeit für die Heranbildung des Nachwuchses theologischer und juristischer Beamter, aber auch eine Stätte unvoreingenommener freier Forschung. Diese Schöpfung hat Königsberg zu einem zweiten Wittenberg gemacht. Hans Luft, der Buchdrucker, 1549 bis 1551 in Königsberg, brachte in einer Bibel Albrechts Bild neben dem des Kurfürsten Friedrich von Sachsen. Der erste Rektor war Georg Sabinus, ein glänzender lateinischer und griechischer Stilist, Schwiegersohn Melanchthons. Die Universität wurde ein neuer Anziehungspunkt für ganz Deutschland und sandte ihre Ausstrahlungen weit über die Grenzen hinaus nach Osten.

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Königsberg

Die bildende Kunst machte mit einigen Renaissancebauten fränkischer Prägung einen neuen Anfang, da die Backsteingotik des Ordens nun der Vergangenheit angehörte. Schon seit 1410 hatten die unaufhörlichen Kriege die Bautätigkeit so gut wie ganz gelähmt, soweit es sich nicht um Wiederherstellungen handelte.

Herzog Albrecht starb am 20. 3. 1568 zu Tapiau. Am gleichen Tage folgte ihm seine zweite Gemahlin Anna Maria von Braunschweig auf Schloß Neuhausen in den Tod. Sie hinterließen vier Töchter und einen 15jährigen Sohn Albrecht Friedrich, dessen Schwachsinn schon frühzeitig offenbar geworden war.

Auf dem polnischen Reichstage zu Lublin im Jahre 1569 hat der junge Herzog dem Könige von Polen den Lehnseid geleistet; mit ihm wurden die Gesandten seines Vetters Georg Friedrich von Ansbach und Kurfürst Joachim II. von Brandenburg belehnt.

Es war der gleiche Reichstag, auf dem die Autonomie Westpreußens über die Köpfe seiner Stände hinweg beseitigt und die Personalunion mit der Krone Polens in eine Realunion mit dem Reiche Polen umgewandelt wurden. Nun waren die westpreußischen Landtage nur noch vorbereitende Ausschüsse des polnischen Reichstages, von dem die Städte Polens ausgeschlossen waren. Danzig, Elbing und Thorn erhielten das Recht der Teilnahme; doch hat Danzig grundsätzlich davon keinen Gebrauch gemacht, weil es diese sog. »Lubliner Union« nicht anerkannt hat. Die beiden anderen Städte erschienen selten, da sie stets überstimmt wurden. Immerhin haben die westpreußischen Landstände sich einige Besonderheiten bewahren können: Steuerbewilligungsrecht, Steuerverfassung, Entscheidung über Teilnahme an Kriegen und das Landeswappen, den schwarzen Adler mit erhobenem Schwertarm.

Der starke Zuwachs an Einfluß der ostpreußischen Stände, insbesondere die Regentschaft der Oberräte, blieb zunächst bestehen. Doch fand sie bald ein Ende, als Markgraf Georg Friedrich von Brandenburg 1577 mit Einwilligung des Königs Stephan Bathory die vormundschaftliche Regierung im Herzogtum übernahm. Er wurde im Jahre darauf auch mit Preußen belehnt und erhielt den Herzogstitel. Seine geschickte und sparsame Verwaltung machte ihn mehr und mehr unabhängig von der Steuerbewilligung der Stände und drängte damit von selbst deren Einfluß zurück. So wurde die wirtschaftliche Grundlage für den neuen Wohlstand geschaffen, vor allem auch die Siedlung tatkräftig gefördert. Wegen der anhaltenden Kriege in Westeuropa blühte besonders der Getreidehandel, an dem Land und Städte verdienten.

Die natürliche Folge war, daß auch das geistige Leben neuen Auftrieb erhielt. Lateinschulen wurden in Tilsit, Saalfeld und Lyck errichtet. 1576 konnte der Pastor Caspar Hennenberger zu Mühlhausen seine berühmte Landkarte mit herzoglicher Unterstützung drucken.

Georg Friedrich hat Preußen 1586 verlassen, weil seine Erblande ihn riefen. Er hat aber bis zu seinem Tode 1603 aus der Ferne weiterhin für Ordnung und Wohlstand gesorgt. Nach 1587 richtete er statt der bischöflichen Verwaltungen zwei Konsistorien zu Königsberg und Saalfeld ein. Die Brandenburger fanden wohlgeordnete Finanzen, als sie die Vormundschaft übernahmen, zuerst Kurfürst Joachim Friedrich, dann Johann Sigismund (1608 bis 1619), beide mit Töchtern Albrecht Friedrichs verheiratet Als der kranke Herzog 1618 starb, wurde der Kurfürst im Anfangsjahre des 30jährigen Krieges Herzog in Preußen.

Vereinigung mit Brandenburg

Der alte Ordensstaat hatte nach 400jähriger Selbständigkeit aufgehört, ein eigenes Land zu sein, und wurde Teil eines größeren Staatsgefüges. Die Eigenart, besonders das reiche kulturelle Erbe, sind jedoch auch der Provinz erhalten geblieben; denn Preußen führte durchaus kein abgeschieden provinzielles Leben. Acht Jahre nach Beginn des großen Krieges wird es zum Brennpunkt der Weltpolitik als Streitobjekt zwischen Schweden und Polen.

Die Beziehung zu Skandinavien bestand schon seit der Zeit der Wikingersiedlungen des Samlandes vom 9.-11. Jh. Nun, da sich Schweden zur nordischen Vormacht entwickelt hatte, entsprach es nur der naturgegebenen Stoßrichtung, daß auch Preußen und Livland Ziele seiner Ausdehnungspolitik wurden. Wenn es gelang, in Preußen gegen Polen festen Fuß zu fassen, konnte König Gustav Adolf als Vorkämpfer der Evangelischen weiteres Vorgehen gegen den Kaiser von hier aus in Betracht ziehen. Der Augenblick zum Eingreifen war nicht ungünstig gewählt, da bei den Lutherischen ernste Besorgnisse gegenüber polnischen gegenreformatorischen Bestrebungen herrschten. Der Bau der katholischen Kirche im bis dahin rein evangelischen Königsberg 1616 war Ausdruck eines Anspruches auf Gleichberechtigung trotz des ungleichen Zahlenverhältnisses der beiden Bekenntnisse.

So wurde der Schwedenkönig bei seiner Landung in Pillau am 5. 6. 1626 nicht als Eroberer angesehen, sondern wie ein Helfer begrüßt. Man gab sich auch damit zufrieden, daß er Pillau nebst dem Löwenanteil der Seezölle behielt, dazu das Samland und Memel besetzte und dann Elbing zu seinem Standort wählte. Danzig, die Konkurrentin, belagerte der König und erhob den Seezoll am Danziger Haupt. Kriegsschauplatz wurde besonders das Weichselgebiet. Zweimal kamen den Polen wallensteinische Regimenter zu Hilfe.

Als aber entscheidende Erfolge ausblieben, beendete der König das Unternehmen und schloß 1629 zu Altmark bei Christburg mit Polen, Brandenburg und Danzig einen sechsjährigen Waffenstillstand. Brandenburg erhielt die vorläufige Verwaltung von Marienburg und einen Teil der Seezölle am Danziger Haupt. 1630 war die erste schwedische Besetzung zu Ende. Gustav Adolf gewann freie Hand für das Eingreifen im Reich. Nach Ablauf der sechsjährigen Frist wurde zu Stuhmsdorf 1635 ein 26jähriger Friede festgesetzt, wobei Schweden alle Eroberungen in Preußen herausgab.

Das Land erholte sich rasch von den Kriegseinwirkungen und wurde entschieden die einträglichste der drei brandenburgischen Gebietsgruppen. Die Universität zog viele Studierende aus dem Westen des Reiches herüber. Die 1629 gegründete Bibliothek des Kanzlers Martin v. Wallenrodt wurde 1673 der öffentlichen Benutzung freigegeben. Die Rechtswissenschaft brachte im Jahre 1620 das kodifizierte Preußische Landrecht zustande, dem 1616 ein ansehnlicher Band mit den »Privilegien der Stände« vorausgegangen war, der auch die vertraglichen Abmachungen des Preußischen Bundes mit dem König von Polen vom 6. 3. 1454 enthielt. Der zwanzigjährige Friedrich Wilhelm erhielt die Belehnung 1640 von König Wladislav IV. verhältnismäßig leicht, weil dieser sein Vetter und persönlicher Freund war und man den jungen Prinzen für harmlos hielt. Stände und polnische Kommissare in Preußen hätten ihm gern ihre Bedingungen gestellt. Aber es gelang ihm, gestützt auf die Meinung von seiner Ungefährlichkeit, auch ohne Konzessionen mit den Ständen bald in ein erträgliches Verhältnis zu kommen, indem er geschickt an die guten Beziehungen zu seinem Vater anknüpfte.

Überhaupt sind die ostpreußischen Stände dem Landesherrn gegenüber nie grundlos renitent gewesen. Es ging ihnen beim Streit mit den Brandenburgern von Anfang an um die Wohlfahrt des Landes. Ihre Einsichten freilich hielten sie für die einzig richtigen und verfolgten sie mit echt ostpreußischer Hartnäckigkeit. In den Friedenszeiten unter den wenig tatkräftigen Kurfürsten Joachim Friedrich und Johann Sigismund hatten die Oberräte ihre Machtbefugnisse ziemlich genau wieder auf den Stand von 1568 bringen können und sich sogar ständig »Regimentsräte« nennen lassen, was ihnen eigentlich nur in Abwesenheit des Herzogs zustand. Als dann 1655 König Karl X. Gustav von Hinterpommern her den zweiten Schwedenkrieg mit Polen in Westpreußen eröffnete, ließen die Stände Friedrich Wilhelm auch nicht in Stich. Der Kurfürst wollte zunächst die Neutralität wahren und schloß zu diesem Zweck am 12.11. ein Bündnis mit den westpreußischen Ständen. Aber Karl Gustav eroberte Thorn und Elbing und zwang im Januar 1656 den Kurfürsten im Königsberger Vertrag, statt der polnischen die schwedische Lehnshoheit anzunehmen. Dafür überließ er ihm das Ermland. Die Ableistung des Lehnseides wurde für ein Jahr aufgeschoben. Damit war zum ersten Male das Lehnsverhältnis zum König von Polen unterbrochen.

Aber Pillau und Memel und die Hälfte der Seezölle mußten nun wieder den Schweden ausgeliefert werden, denen das ganze Land militärisch offenstand. Erst als der König aus Polen Rückschläge erlitt, ließ er sich herbei, im Vertrage von Marienburg am 25. 6. 1656 die Bedingungen zu verbessern und ein richtiges Bündnis mit dem Kurfürsten zu schließen. Dieser gewann die dreitägige Schlacht bei Warschau vom 28.-30. 7. In diesem und dem nächsten Jahre fielen tatarische Horden in Ostpreußen ein, verübten Mord und Brand und schleppten die Bevölkerung in die Sklaverei, aus der nur wenige lange Jahre später heimkehrten.

Als sich dann schon bald gegen das erfolgreiche Schweden eine neue Koalition bildete, der auch Dänemark beitrat, war König Karl Gustav bereit, Brandenburg für die Bündnishilfe noch einen höheren Preis zu zahlen: Im Vertrag zu Labiau am 20. 11. 1656 verzichtete er auf die Lehnshoheit über Preußen und erkannte die Souveränität des Kurfürsten an. Dieser ist dann an der Spitze brandenburgischer und schwedischer Truppen bis Jütland vorgedrungen und hat anschließend das langjährige Ziel brandenburgischer Politik, Vorpommern mit der Odermündung, besetzt.

Sehr vorsichtig begann nun Polen unter Vermittlung des Kaisers mit dem Kurfürsten wieder Fühlung zu suchen, um dem schwedischen Gegner seine stärkste Stütze zu entwinden. Es ist größtenteils das Verdienst des kaiserlichen Gesandten Franz Paul Freiherrn v. Lisola, wenn im Vertrag zu Wehlau vom 29. 9. 1657 Polen nun auch seinerseits auf die Lehnshoheit verzichtete und die Souveränität Preußens in vollem Umfang anerkannte. Gleichzeitig wurde ein zehnjähriges Bündnis gegen Schweden geschlossen. Der Kurfürst gab das Ermland wieder heraus und erhielt dafür Elbing, dazu Lauenburg, Bütow und die Starostei Draheim, die vor 1466 dem Orden gehört hatte. Der Friede zu Oliva am 3. 5. 1660 zwischen Kaiser, Brandenburg, Schweden und Polen brachte der preußischen Souveränität die völkerrechtliche Anerkennung. Elbing blieb noch von Polen besetzt und ist erst 1703 mit Preußen vereinigt worden. Vorpommem hat der Kurfürst nicht erhalten.

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Friede von Oliva

Die Stände hatten während des Krieges alle Lasten und Mühen getreulich mit der Landesherrschaft geteilt. Nach dem Frieden aber kam es zur letzten Auseinandersetzung zwischen dem Kurfürsten und seinen privilegierten Untertanen, zwischen dem Absolutismus, der sich von Frankreich her ausbreitete, und der ständischen Verfassung, die in Preußen seit 1414 nun fast zweieinhalb Jahrhunderte hindurch bestanden hatte. Auf der Höhe seiner Macht zögerte der Kurfürst nicht, seine souveränen Rechte auch nach innen, den Ständen gegenüber, geltend zu machen.

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Huldigung der preuß. Stände

Auf dem großen Landtag von 1661—63 ging der härteste Widerstand von den drei Städten Königsberg aus, und das lag wohl in erster Linie an der Unbeugsamkeit des Schöppenmeisters vom Kneiphof, Hieronymus Roth oder Rohde, der keine der Freiheiten seiner Fernhandelsstadt preiszugeben geneigt war. Der Kurfürst ließ ihn im Oktober 1662 verhaften, wollte ihn aber freilassen, wenn er ein Gnadengesuch einreichen würde. Da Roth dies ablehnte, blieb er bis zu seinem Tode 1678 Gefangener auf der Festung Peitz. Unter der Drohung der 1657 am Westausgang des Pregels angelegten Festung Friedrichsburg, deren Kanonen auf die Stadt gerichtet waren, leisteten die Stände die Huldigung, die am 18. 10. 1663 auf dem Schloßhof stattfand. Die Oberräte wurden kurfürstliche Beamte.

In den Jahren 1670/71 kam es nochmals zum Konflikt über Geldforderungen für Heereszwecke. Als der ehemalige Oberst Christian Ludwig v. Kalckstein in Warschau konspirierte, wurde er im Hause des brandenburgischen Residenten ausgehoben, nach Preußen gebracht, wegen Landesverrats abgeurteilt und 1672 in Memel hingerichtet. Damit war der Widerstand endgültig gebrochen. Auch in Preußen begann das Zeitalter des Absolutismus, der sich auf ein stehendes Heer stützte.

Der Kurfürst hatte es schon vorher verstanden, sich geldlich vom ständischen Einfluß zu lösen. Da die ursprünglich herzogliche Rentkammer neben dem »Landkasten« unter ständische Aufsicht geraten war, hatte er beizeiten die schon von Georg Friedrich eingerichtete »Schatulle« wieder aufleben lassen. Hier hinein zinsten die Waldgebiete, die der herzoglichen Verwaltung unterstanden, überhaupt alles Land aus Eigenbesitz des Fürsten, soweit es an Siedler ausgetan war. Diese hießen, je nach Besitzrecht, Schatullkölmer oder Schatullbauern, saßen im Osten und Süden des Landes und unterstanden der Forstverwaltung. Meist waren es Masuren und Litauer.

Dem dritten Schwedeneinfall begegnete der Kurfürst durch die bravouröse Schlittenfahrt seiner Truppen über das Kurische Haff und das Gefecht bei Splitter 1679, mit dem er den überraschten Gegner aus dem Lande vertrieb. Pillau, der immer noch einzige größere Seehafen Brandenburg-Preußens, der nun vor Schweden sicher war, wurde der Ausgangspunkt seines Oberseehandels nach der Goldküste, den sein »Generalmarinedirektor«, der Holländer Benjamin Raule, beaufsichtigte.

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Königreich (Ost-) Preußen

Die preußische Souveränität bildete die Grundlage für die Gewinnung der Königswürde durch den Sohn des Großen Kurfürsten, Friedrich III. Vorangegangen bei der Rangerhöhung war Kurfürst August der Starke von Sachsen, als König von Polen, ein Ziel, dem die brandenburgischen Kurfürsten wegen ihrer verwandtschaftlichen Beziehungen zum polnischen Königshause mehr als einmal schon greifbar nahe gewesen waren. Innerhalb des Reiches war die Krone nicht zu erreichen; aber Preußen gehörte formal nicht zum Reich. Immerhin brauchte man die Anerkennung des Kaisers. Der Kurfürst hat diese mit einer fast zwölfjährigen Unterstützung Österreichs im spanischen Erbfolgekriege erkauft. Trotzdem war die Königskrone damit nicht zu teuer bezahlt. Sie hat dem Gesamtstaat erhöhtes Ansehen eingebracht und — den Namen gegeben. Vom östlichsten Landesteile her übertrug sich die Bezeichnung der alten Stammeseinwohner mit dem Titel des Herrschers auf das ganze übrige Gebiet. Wenn es auch, genau genommen, staatsrechtlich noch »König in  Preußen« und »preußische Staaten« hieß, es war ein Königreich wie die alten europäischen Staaten Frankreich, Spanien, England und Schweden. König von Preußen wurde Friedrich der Große nach der Rückerwerbung Westpreußens im Jahre 1772.

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Die Krönung fand zu Königsberg am 18. 1. 1701 im Audienzsaal des Schlosses statt, anschließend die Salbung in der Schloßkirche. Vorgenommen wurde sie von den beiden, eigens dazu ernannten evangelischen Bischöfen, womit diese alte Amtsbezeichnung wieder auflebte. Am Tage vorher war das ostpreußische Landeswappen, einst nur im Herzschild über dem Ordenskreuz geführt, zum Staatswappen erklärt und der schwarze Adlerorden gestiftet worden.

In der Stadt erfolgten drei wichtige kulturelle Gründungen am gleichen Tage: Die reformierte Burgkirche wurde als Zeugnis von Toleranz und geistiger Freiheit eingeweiht, die pietistische Privatschule, die 1698 der kurfürstliche Holzkämmerer Theodor Gehr eingerichtet hatte, als Collegium Fridericianum zur königlichen Schule erhoben und das Waisenhaus auf dem Sackheim gegründet. Ein Volksfest mit Ochsen am Spieß und Wein aus Röhrenbrunnen kam den Neigungen der Bevölkerung entgegen. Friedrich, der in Königsberg geboren war, gab sich gern als Landsmann und war ausgesprochen volkstümlich.

Auch die Stände wußte er zu gewinnen: Aus den vier Oberräten wurden 1712 sechs Geheime Räte, nominell Glieder des Geheimen Rates in Berlin, der höchsten Landesbehörde. Sie bildeten die »Regierung«, die bis A. 19. Jh. bestanden hat. Sie behielt die Oberaufsicht über die höchsten Gerichte und die Konsistorien. Neben diesen provinziellen gab es königliche Behörden, wie Kriegskommissariat und Domänenkammer, die nur Durchgangsstellen zu den entsprechenden Berliner Zentralbehörden waren.

Das flache Land hat sich in jenen Jahren nicht glücklich entwickelt. Besonders der Nordosten wurde 1708—11 durch die Pest in unheimlicher Weise entvölkert: Fast eine Viertelmillion Menschen sind ums Leben gekommen, über 10000 Bauernstellen wurden wüst. Abhilfe wurde aus dem Lande selbst und mit litauischen Einwanderern nur zu zwei Fünfteln erreicht. Oberhaupt ging der Bauernstand, der sich im Südosten von den Tatareneinfällen 1656/57 noch nicht hatte erholen können, unter dem hohen Steuerdruck wirtschaftlich weiter zurück. Der selbständige Hofbesitzer wurde vielfach ein Opfer des Bauernlegens. Das um 1600 so wohlhabende Ostpreußen war ein armes Land geworden.

Freundliche Ausnahmen sind die eindrucksvollen Zeugnisse barocker Baukunst auf den Gütern. Namen wie Schlüter, Nehring, Eltester, Collas, setzten sich auch im östlichsten Landesteil Denkmäler durch die Schlösser zu Grünhof, Holstein, Carwinden, Friedrichstein, Dönhoffstädt, Finkenstein (wohl das stilvollste) und das ältere Schlobitten. Zu Heiligelinde entstand ein wahres Kleinod barocker Kirchenbaukunst.