Seit 1871 Fürst von
Bismarck und seit 1890 Herzog von Lauenburg, preußisch-deutscher
Staatsmann und erster Kanzler des Deutschen Reiches (1871-1890).
Bismarck wurde am 1. April 1815 in
Schönhausen, nordwestlich von Berlin, als Sohn eines ostelbischen Adligen
geboren. Er studierte Rechtswissenschaften in Göttingen und Berlin, war
anschließend, ab 1836, Gerichtsreferendar in Aachen und übernahm 1839
die Verwaltung der väterlichen Güter in Pommern.
1847 wurde der
konservative Bismarck Mitglied des Vereinigten Preußischen Landtages. Die
Revolution von 1848, die er mit Gewalt unterdrückt sehen wollte,
bestärkte ihn in seiner monarchistischen und konservativen, die
dominierende Stellung des Land besitzenden preußischen Adels
verteidigenden Haltung. Nach der Revolution wurde er Abgeordneter im
Erfurter Parlament, führendes Mitglied der Konservativen Partei und
Mitbegründer und Mitarbeiter der konservativen Kreuzzeitung. Im
Frankfurter Bundestag, dem er seit 1851 als preußischer Gesandter
angehörte, trat er für die Gleichberechtigung Preußens mit Österreich,
der Präsidialmacht im Deutschen Bund, ein. 1859 ging Bismarck als
preußischer Botschafter nach Russland und im Frühjahr 1862 nach
Frankreich.
2. DIE
DEUTSCHE EINIGUNG
1862 war in Preußen die Auseinandersetzung zwischen
Regierung und Parlament über eine Heeresreform zu einem scheinbar
unlösbaren Konflikt geworden. Das von liberalen Kräften dominierte
Abgeordnetenhaus hatte die Heeresvorlage der Regierung u. a. wegen
der dreijährigen Dienstpflicht abgelehnt; weder König noch
Abgeordnetenhaus waren zu einem Kompromiss bereit. In dieser Pattsituation
berief König Wilhelm I. am 23. September 1862 Bismarck zum
preußischen Ministerpräsidenten (am 8. Oktober 1862 außerdem zum
Außenminister).
Bismarck beendete den Heereskonflikt im Sinn der
Krone, beschwor damit allerdings gleichzeitig einen Verfassungskonflikt
herauf. Er löste das Abgeordnetenhaus auf, das den Militärhaushalt
abgelehnt hatte, und regierte, gestützt auf das Herrenhaus und die „Lückentheorie",
ohne vom Abgeordnetenhaus gebilligten Etat weiter. Seine nicht
verfassungskonforme Politik hatte Bismarck nach seinem Amtsantritt mit
seiner „Blut- und-Eisen-Rede" gerechtfertigt, der zufolge sich die
großen Probleme der Zeit (d. h. die deutsche Einigung) nicht durch
Reden und Mehrheitsentscheidungen lösen ließen, sondern nur durch „Blut
und Eisen". Folgerichtig baute er das preußische Heer aus, ebenfalls
ohne die Zustimmung des Parlaments.
Mit seinem außenpolitischen Engagement gelang es
Bismarck vorübergehend, von der Krise im Inneren abzulenken: Im Februar
1863 schloss er mit Russland die Alvenslebensche Konvention zur
gegenseitigen militärischen Unterstützung (Anlass war der Januaraufstand
in Polen). 1864 führte Preußen gemeinsam mit Österreich Krieg gegen
Dänemark, das schließlich Schleswig, Holstein und Lauenburg an Preußen
und Österreich abtreten musste (siehe Deutsch-Dänische Kriege).
1866 eskalierte der preußisch-österreichische Dualismus, die Frage nach
der Vorherrschaft im Deutschen Bund, die sich seit dem Deutsch-Dänischen
Krieg deutlich zugespitzt hatte, im Deutschen Krieg zwischen Preußen und
Österreich. Nach seinem Sieg über Österreich erhielt Preußen
Schleswig-Holstein, Lauenburg, Hannover und einige andere Gebiete; der
Deutsche Bund wurde aufgelöst, Österreich war ausgeschaltet worden, und
Preußen hatte die Vorherrschaft in Deutschland erlangt. 1867
konstituierte sich unter preußischer Führung der Norddeutsche Bund,
Bismarck wurde Bundeskanzler. Nach dem preußischen Sieg hatte Bismarck im
September 1866 dem preußischen Abgeordnetenhaus die Indemnitätsvorlage
unterbreitet, um nachträglich die formelle Bewilligung der Kosten für
die Heeresreform und die beiden Kriege zu erhalten. Sie wurde vom
Abgeordnetenhaus mit den Stimmen einiger Liberaler angenommen.
1870 provozierte
Bismarck mit der Emser Depesche die Kriegserklärung Frankreichs an
Preußen und damit den Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71, der zur
Proklamation Wilhelms I. zum Deutschen Kaiser am 18. Januar 1871
in Versailles und zur Gründung des Deutschen Reiches führte. Bismarck
hatte sein Ziel der Einigung Deutschlands unter preußischer Führung
erreicht. Bismarck wurde erster Kanzler des Deutschen Reiches, als der er
Innen- und Außenpolitik bestimmte, blieb außerdem weiterhin preußischer
Ministerpräsident und wurde 1880 zudem preußischer Minister für Handel
und Gewerbe.
3. REICHSKANZLER
Seine Hauptaufgabe als Reichskanzler sah Bismarck,
der nach der Reichsverfassung der einzige allein dem Kaiser
verantwortliche Minister war, in der inneren Konsolidierung des Reiches
und in seiner Einbindung in ein internationales Bündnissystem.
Innenpolitisch suchte er durch eine „Revolution von oben", den
durch Liberalisierung, Industrialisierung und Bevölkerungsexplosion
veränderten politischen Anforderungen zu entsprechen. Das antiliberale
katholische Zentrum wollte er durch den Kulturkampf ausschalten,
provozierte damit jedoch neue innenpolitische Konfrontationen sowie die
Entfremdung der Katholiken vom neuen deutschen Staat, so dass er sich 1878
schließlich zum allmählichen Einlenken gegenüber der katholischen
Kirche gezwungen sah. Mit dem Sozialistengesetz von 1878, das alle
sozialdemokratischen, sozialistischen und kommunistischen Vereinigungen
verbot, sollten die „gemeingefährlichen Bestrebungen der
Sozialdemokratie" unterbunden werden. Es beschwor jedoch eine neue
innenpolitische Krise herauf und verfehlte zudem sein Ziel, die
Sozialdemokratie zu zerschlagen: Nach dem Auslaufen des Gesetzes 1890
wurden die Sozialdemokraten stärkste Fraktion im Reichstag. Parallel zum
Sozialistengesetz initiierte Bismarck weit reichende, vergleichsweise
fortschrittliche Sozialgesetze, u. a. zur Kranken-, Unfall-, Renten-
und Invaliditätsversicherung. Hintergedanke bei seinem
Sozialgesetzgebungswerk war, die Arbeiterschaft für sich zu gewinnen, sie
von der Sozialdemokratie zu entfremden und diese somit weiter zu
schwächen. Mit dem Schutzzoll von 1879 suchte Bismarck die deutsche
Industrie besonders gegen die britische Konkurrenz zu schützen sowie die
Großagrarier, nicht zuletzt die ostelbischen, gegen russische Einfuhren,
womit er sich den liberalen Kräften weiter entfremdete und die
Zusammenarbeit mit den Konservativen verfestigte.
Bismarcks Außenpolitik
nach 1871 war defensiv und auf Frieden ausgerichtet. Er bezeichnete
Deutschland als „saturiert" – trotzdem engagierte er sich,
zunächst allerdings zögernd, 1884/85 kurzzeitig für den Erwerb
deutscher Kolonien in Afrika und im pazifischen Raum. Sein europäisches
Bündnissystem zielte auf die Isolierung Frankreichs und die Verhinderung
einer Koalition gegen Deutschland: 1873 schloss er das Dreikaiserabkommen
mit Österreich und Russland; 1878 vermittelte Bismarck als „ehrlicher
Makler" auf dem Berliner Kongress, dessen Präsident er war, im
Balkankonflikt zwischen Österreich-Ungarn, Großbritannien und Russland;
1879 schloss er den Zweibund mit Österreich, der 1882 durch den Beitritt
Italiens zum Dreibund wurde, und 1887 vereinbarte er den
Rückversicherungsvertrag mit Russland.
Kaiser Wilhelm II.
entließ Bismarck am 20. März 1890 wegen unüberbrückbarer
persönlicher und politischer Gegensätze aus seinem Amt; neuer
Reichskanzler und preußischer Ministerpräsident wurde Georg Leo von
Caprivi, dessen Politik Bismarck scharf kritisierte. Nach seiner
Entlassung zog sich Bismarck auf sein Landgut Friedrichsruh im Sachsenwald
zurück, wo er am 30. Juli 1898 starb.
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